PDS will doch Sayan

Genossen stimmen für Direktkandidatur des vor kurzem verprügelten Abgeordneten Giyasettin Sayan

Wie geht man mit einem Kandidaten um, der vor kurzem Opfer eines vermutlich rassistisch motivierten Angriffs wurde? Das Problem: Wie sich die Parteifreunde auch entschieden – der Anschlag wird immer als Motiv ihrer Entscheidung im Raum stehen. Donnerstagabend stimmten die PDS-Delegierten ab. Sie nominierten den Parlamentarier Giyasettin Sayan mit 44 zu 42 Stimmen als Direktkandidaten für den Lichtenberger Abgeordnetenhauswahlkreis 5. Sein Gegenkandidat Michael Grunst unterlag knapp.

Damit endet ein innerparteiliches Tauziehen um die politische Karriere des 56-jährigen Sayan. Die Lichtenberger Genossen wollten dem persönlichen Referenten von Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner, Grunst, die aussichtsreiche Kandidatur antragen. Doch drängte der PDS-Landesvorstand auf die Wahl des kurdischstämmigen Sayan. Bei der Aufstellung der Landesliste für die Abgeordnetenhauswahl im September war Sayan am vergangenen Wochenende leer ausgegangen. Nun sollte seine Nominierung im Bezirk ein Zeichen gegen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsradikalismus setzen.

Der migrationspolitische Fraktionssprecher war im Mai nach eigenen Angaben am S-Bahnhof Lichtenberg von zwei Unbekannten angegriffen und schwer verletzt worden. Letztlich verfiel der Bezirksvorstand der Partei auf eine salomonische Lösung – und verkündete die Unterstützung beider Kandidaten.

„Natürlich hat der Angriff auf Herrn Sayan Einfluss auf den Wahlausgang gehabt“, gestand die PDS-Bezirksvorsitzende Gesine Lötzsch ein. Doch die Chancen Sayans seien ohnehin hoch gewesen, sagte Lötzsch, die zugleich für die Linkspartei.PDS im Bundestag sitzt. Unisono lobten Lötzsch und Sayan den Wahlverlierer. Michael Grunst, im Nebenberuf jugendpolitischer Sprecher in der Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung, sei ein „starker Gegenkandidat“ gewesen.

Noch kurz vor dem Anschlag galt Sayans landespolitische Karriere nach elf Jahren Mitgliedschaft im Abgeordnetenhaus als so gut wie beendet. Parteiintern war seine Ablösung beschlossene Sache. Hinter vorgehaltener Hand warfen Parteimitglieder Sayan daher vor, den Anschlag auf ihn womöglich inszeniert zu haben. Doch Beweise für diese harten Anschuldigungen sind sie bis heute schuldig geblieben.

MATTHIAS LOHRE