Der kleine König bringt das Glück

Argentinien demontiert Serbien-Montenegro mit 6:0, und das Maskottchen Diego Maradona organisiert den Jubel

AUS GELSENKIRCHEN BERND MÜLLENDER

In Minute 75 durfte endlich auch Argentiniens 18-jährige Dribbel-Offenbarung Lionel Messi mitmachen. Den rufen sie beim FC Barcelona entweder gleich „Messi-as“ oder wegen seiner Leichtigkeit „la hostia“, die Hostie. Fast vier Minuten dauerte es bis zum ersten pfeilartigen Sprint, Crespo drückte Messis Vorlage zum 4:0 ein. Fünf Minuten später dribbelte sich der andere Einwechselstürmer, Carlos Tevez, Liebling der Massen in Argentinien, weil er die Liga des Lieblingsfeindes Brasilien aufmischt, ganz allein durch: 5:0. End- und Höhepunkt der Gala war Messis eigener Treffer nach 88 Minuten zum 6:0-Endstand: Argentinien im Achtelfinale, Serbien-Montenegro aus dem Turnier – Verzückung auf den Rängen am Schalke de la Plata.

José Pekermann sagte nachher: „Wir hätten nie erwartet, dass es so leicht würde.“ Einmal lächelte der mumienhafte Siegercoach sogar. Gegen Holland am Dienstag erwartet er „ein großes Spiel“. Wer von seinen Angriffsheroen der beste war? „Wir haben einen guten Kader.“ Bloß keine Euphorie, Stürmer Saviola sah immerhin „ein sensationelles Match“.

Entschieden war das Spiel früh für eine argentinische Elf, die eine grandiose Mischung aus Gift und Spielwitz präsentierte. Vielleicht schon mit dem 1:0 durch Maxi Rodriguez nach sechs Minuten, spätestens mit dem Halbzeitstand von 3:0. Gänsefederdaunenweiche Kombinationen gingen den Treffern voraus, mal doppelpasste Saviola mit Kapitän Sorin, mal war im Direktspiel die komplette Angriffsformation beteiligt. Ein weiteres Tor von Hernan Crespo wurde fälschlich wegen Abseits weggewedelt, der Linienassistent war vom Sturmwirbel so überfordert wie die serbischen Slalomstangen. Selbst La Ola lief anders als üblich durch die Arena – diesmal gegen den Uhrzeigersinn.

Beim Einlaufen der Teams hatte sich die gesamte Haupttribüne noch respektlos vom Rasen abgewandt. Die aktuellen Stars? Egal! Denn er war erschienen: Diego Armando Maradona. Und die vergötterte Legende gab wieder den kaspernden Fäusteschwinger, tausende Jünger huldigten dem hüpfenden Maskottchen. Zur Entourage des faxenden VIP-Prolls im argentinischen 10er-Trikot („Wenn ich das überziehe, bin ich ein anderer Mensch“) gehörte auch eine sonnenbebrillte Gestalt wie aus dem Box-Comic. „Bei dem“, lachte ein Polizist kopfschüttelnd, „würden unsere Drogenhunde sofort anschlagen, woll!“ Und bei jedem Tor drehten sich immer wieder Hunderte um, zum Jubel mit dem Idolissimo. 12 Jahre spielt Maradona schon nicht mehr, die Zahl seiner Skandale passen auf keine Richterskala. Aber immer noch ist die „10“ das häufigste Fantrikot – und Maradona steht häufiger drauf als der aktuelle Mittelfeldherrscher Riquelme. „God save the king“ hatte einer vorne dazugemalt.

Die desolaten und hölzernen Serben, völlig überfordert, und ihr montegrinischer Torwart Jevric dürfen sich verabschieden. Schon vor dem Duell in der Schalke-Halle hatte in ihrem Land der Pessimismus regiert. Nach dem 0:1 gegen die Niederlande gab es Reibereien, angeblich im Team sogar Handgreiflichkeiten und Streit um die Defensivtaktik. Gestern gab es noch nicht einmal Defensive. Slobodan Komljenovic, WM-Spieler 1998, wunderte sich, dass es gegen die Holländer am Ende „nicht mal Frustfouls“ gegeben habe, das sei „ganz komisch“ gewesen. Dabei hatte ihn Mateja Kezman doch erhört: Nach beidbeiniger Sense war für ihn das Spiel in Minute 65 vorbei. Und Schalkes Mladen Krstajic zuckte nur die Schultern. Peinlich, schade, Blamage? „Egal. Alles.“

Nach dem Schlusspfiff ging die Party von schätzungsweise 15.000 Argentiniern und dem ununterbrochen hüpfenden Maradona weiter. Und Juan Riquelme drohte an, es seien sogar „noch Steigerungen möglich“.

Argentinien: Abbondanzieri – Burdisso, Ayala, Heinze, Sorín – Rodriguez (75. Messi), Mascherano, González (17. Cambiasso) – Riquelme - Saviola (59. Tevez), Crespo Serbien-Montenegro: Jevric – Duljaj, Gavrancic, Krstajic, Dudic – Koroman (50. Ljuboja), Stankovic, Nadj (46. Ergic), Predrag Djordjevic – Kezman, Milosevic (70. Vukic) Schiedsrichter: Roberto Rosetti (Italien) Zuschauer: 50.000 Tore: 1:0 Rodriguez (6.), 2:0 Cambiasso (31.), 3:0 Rodriguez (41.), 4:0 Crespo (78.), 5:0 Tevez (84.), 6:0 Messi (88.)Gelbe Karten: Crespo / Koroman, Nadj, Krstajic Rote Karte: - / Kezman (65., grobes Foulspiel)