„Das Land muss uns entgegen kommen“

Der Gelsenkirchener Oberbürgermeister fühlt sich von der Landesregierung allein gelassen. Weil er die Einsparungen bei den Kindergartenplätzen nicht den Eltern aufbürden kann, erhöht sich das Defizit der Stadt

taz: Herr Baranowski, Ihre Stadt hat seit kurzem die Freiheit, Elternbeiträge für Kindergärten selbst festlegen zu dürfen. Freuen Sie sich?

Frank Baranowski: Nein. Weil das verbunden ist mit einer Kröte. Die Landesregierung hat den Ausgleich für die mangelnden Elternbeiträge zurückgenommen. Wir sind jetzt gezwungen, zu schauen, wie wir die Kosten, die vom Land nicht mehr gedeckt werden, hereinholen. Das führt dazu, dass wir die Beiträge erhöhen müssen.

Was bedeutet das für Ihre Stadt?

Das bedeutet für uns ein Defizit von 1,2 Millionen Euro pro Jahr.

Sie könnten, so wie die Stadt Düsseldorf, einfach nur die Reicheren belasten?

Das könnte ich zwar machen, aber die Gruppe der Wohlhabenden ist in Gelsenkirchen nur sehr klein. Wir haben das mal durchgerechnet. Das würde bei einem Kind von Eltern in der obersten Gehaltsgruppe, also bei einem Jahresgehalt von über 90.000 Euro für eine Übermittagsbetreuung 600 Euro im Monat bedeuten. Wir sehen die Gefahr, dass Eltern ihre Kinder dann abmelden und privat betreuen lassen. Das ist nicht in unserem Sinne.

Was halten Sie von der Idee, die Grundsteuer anzuheben und dafür Kita-Plätze umsonst anzubieten?

Auch das ist für die Kommunen, für die Ballungsräume kontraproduktiv, denn unsere Grundsteuern sind schon sehr hoch. Das würde dann dazu führen, dass die Leute aufs Land ziehen, wo die Steuern geringer sind. Das ist bei uns ausgereizt, das können wir gar nicht.

Bleibt Ihnen etwas anderes übrig, als die Elternbeiträge stark zu erhöhen? Sie können wegen Ihrer Haushaltssicherung nicht einfach mehr Geld ausgeben.

Wir werden jetzt erst einmal im kommenden halben Jahr versuchen, die 600.000 Euro an anderer Stelle einzusparen. Oder unser Haushaltsdefizit wird eben erhöht. Es geht schlichtweg nicht, die Kosten auf die Eltern abzuwälzen. Das muss dann auch eine Bezirksregierung und auch die Landesregierung begreifen.

Wie kann die Landesregierung bei Ihnen wieder etwas gut machen?

Es gibt im Kontext der Schulen ja einen Sozialindex: Da wird geschaut, wie die soziale Situation in einer Stadt ist und demnach werden unterschiedlich viele Lehrer zugewiesen. Das ließe sich doch auf Kindergärten prima übertragen: Eine Einrichtung mit hohem Migrantenanteil könnte zum Beispiel mehr Geld bekommen als eine, die sich in einem reichen Viertel befindet. Wenn die Landesregierung es ernst meint mit der Familienfreundlichkeit, muss sie uns entgegenkommen.

INTERVIEW: NATALIE WIESMANN