Kommunen droht Kinder-Armut

Weil die Landesregierung seit Mai weniger Geld für Kindergartenplätze überweist, müssen Städte und Gemeinden eine Frage lösen: Wie können wir in Zukunft die Kinderbetreuung finanzieren?

VON NATALIE WIESMANN

Wieviele Kosten kann man Eltern aufbürden? Mit dieser Frage befassen sich derzeit die Kommunen in NRW. Denn sie müssen auf Kürzungen in Höhe von 105 Millionen Euro im Landeshaushalt reagieren. „Bildungspolitisch und familienpolitisch ist das sehr bedenklich“, sagt etwa der Sozialdezernent der Stadt Oberhausen, Reinhard Frind (SPD) zum schwarz-gelben Sparkurs.

Die Einsparungen der Landesregierung betreffen den Elternanteil am Kindergartenplatz. Vom Land wurde der auf 19 Prozent der Gesamtbetriebskosten festgelegt. Da die Städte und Gemeinden aber verpflichtet sind, Beiträge sozial zu staffeln, erreicht kaum eine Kommune die 19-Prozent-Quote. Die Differenz wurde bislang von Land und Kommunen ausgeglichen. Doch aus der Ausgleichsfinanzierung hat sich das Land im Mai verabschiedet. Deshalb fehlen Oberhausen für das laufende Jahr 856.00 Euro. Selbst das reiche Düsseldorf treibt nur 13,5 Prozent Elternbeiträge ein und muss das Defizit selbst tragen. Mit unterschiedlichen Modellen begegnen die Städte der neuen Finanzlage.

Die Landeshauptstadt Düsseldorf will Geringverdiener entlasten und mittlere und obere Einkommen stärker belasten. Offen ist, ob das zweite Kind weiterhin kostenlos einen Kita-Platz erhalten soll, oder nicht. „Wir diskutieren das noch“, sagt Sprecherin Anne Wotschke zur taz.

In Köln hat der rot-grün dominierte Jugendausschuss gegen die Stimmen der CDU ein fast identisches Gebührenmodell beschlossen. Aufgrund von Elternprotesten hat die CDU eine neue Vorlage eingebracht: Sie will – ganz im Sinne der CDU-Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen – die Elternbeiträge bis 2011 auf Null abschmelzen. Zur Kompensation soll die Grundsteuer „moderat angehoben werden“.

Von dem Modell der Grundsteuererhöhung ist die Stadt Neuss abgekommen. „Das ist zu teuer“, sagt Sprecher Michael Kloppenburg. Um Kindergartenplätze gratis anzubieten hätte die Grundsteuer um 15 Prozent steigen müssen. In Neuss haben man sich stattdessen für eine Erhöhung der Gebühren von Reicheren entschieden.

In ärmeren Kommunen sieht man sich nicht in der Lage, die Elternbeiträge zu erhöhen. In Gelsenkirchen zum Beispiel erreichen die Elternbeiträge nur eine Quote von 11,4 Prozent. Um den Ausfall der Landesmittel zu kompensieren, müssten Beiträge sehr stark angehoben werden. „Wir können bei den meisten Eltern nicht mehr erhöhen“, sagt Frank Baranowski, Oberbürgermeister von Gelsenkirchen (siehe Interview). Schon jetzt sei ein Drittel der Familien in seiner Stadt von Zahlungen befreit, weil sie weniger als 12.000 Euro im Jahr verdienen.

„Wir fordern die Landesregierung auf, die Einsparungen wieder zurückzunehmen“, sagt auch Mönchengladbachs Sprecher Wolfgang Speen. Der Rat habe am Mittwoch beschlossen, die Elternbeiträge für Kindertagesstätten nicht zu erhöhen. Woher das fehlende Geld kommen soll? „Das müssen wir noch prüfen“. Auch Aachen weigert sich, die Zusatzkosten an Eltern weiterzugeben.

Die Landesregierung versucht indes die Kommunen zu beruhigen: Man habe nicht vorgehabt, die ärmeren Kommunen zu benachteiligten, so ein Sprecher des Integrationsministeriums. „Wir werden bei der Kindergartenfinanzierung zu einer einvernehmlichen Lösung kommen.“