Kehrtwende im vollen Galopp

SPD Schleswig-Holstein segnet Sparhaushalt auf Sonderparteitag widerwillig ab. Weiterhin unvereinbare Streitpunkte in der Großen Koalition

„Der Eingriff ist eine Gefährdung der Kommunen, er spielt denen in die Hände, die kommunale Infrastruktur zerschlagen wollen“: Andreas Breitner, Sprecher der SPD-Gemeinden, startete im Galopp in seine Rede auf dem Sonderparteitag der schleswig-holsteinischen SPD. Kurz danach trabte er zurück. Es ging – wie am Dienstagabend beim Koalitionspartner CDU – um die Frage, ob die Basis dem Sparhaushalt der Regierung zustimmt.

Geplant ist, 100 Millionen Euro jährlich bei den Landesbediensteten zu kürzen, bei den Haushalten der Ministerien 80 und bei den Kommunen 120 Millionen Euro. Die CDU-Delegierten hatten nach längerer Debatte Ja gesagt – bei der SPD deuteten sich härtere Verhandlungen an.

Aber Breitner, der mehrfach gegen die Kürzung gewettert hatte, drehte auf halber Strecke um. Der neue Leitantrag des Landesvorstandes sei „nicht fair, aber ehrlicher“ als frühere Papiere. Jetzt käme es darauf an, „Farbe zu bekennen, und die ist weiterhin rot“, betonte Breitner. Immerhin will er Stellvertreter des designierten Parteichefs Ralf Stegner werden, der als Innenminister einen Großteil der Kürzungen zu verantworten hat.

Nach dieser Rede war „eigentlich die Luft raus“, wie ein Delegierter meinte. Tatsächlich wurde der Antrag mit Mehrheit angenommen – damit muss die nächste Runde im Gerangel um den Sparhaushalt wieder im Landtag und im Kabinett ausgetragen werden. Denn sowohl die CDU- als auch die SPD-Basis haben ihre Spitzen in den jeweiligen Positionen unterstützt, und die sind höchst unterschiedlich.

Beide Seiten wollen den Kommunen zwar Geld kürzen, den Schlag aber abmildern. Die CDU will dafür die Stellen von Gleichstellungsbeauftragten streichen oder Standards in Kindertagesstätten und Naturschutz senken. Nein, sagt SPD-Fraktionschef Lothar Hay: „Wie viele Mitarbeiterinnen in Kindergärten glaubt die CDU denn entlassen zu können, um die Kompensation zu erreichen?“ Ute Erdsiek-Rave, stellvertretende Ministerpräsidentin, droht: „Wer glaubt, dass der Haushalt das Trittbrett ist, mit dem ein sozialdemokratischer Teil des Koalitionsvertrags erledigt werden kann, der sagt diesem Regierungsbündnis den Kampf an.“

Also legt die SPD andere Vorschläge vor. So soll die Verwaltungsreform, die Stegner gerade umsetzt, Geld sparen, außerdem will das Land den Gemeinden die Mehreinnahmen aus höheren Steuern überlassen, drittens wird über längere Arbeitszeiten von Beamten und höhere Gebühren in Rathäusern nachgedacht. Für die Einsparungen „stehe ich gerade“, versprach Stegner. Er erhielt eher mäßigen Beifall. Esther Geißlinger