BREMEN BELLEVUE (TAG 20): Das Neutrum
Bis Ende Juni ist Jens Böhrnsen Ersatz-Bundespräsident. Die taz checkt seinen Terminkalender.
Um 16.30 Uhr wünscht Böhrnsen den Gästen der Handelskammer ein schönes Sommerfest. Dann den KultusministerInnen eine angenehme Sitzung. Wie aber wird er den Vormittag angemessen gestalten?
Ob er spaßeshalber den Bundestag auflöst? Jemanden begnadigt? Oder mal den Verteidigungsfall feststellt? Wobei Letzteres („wir verteidigen unsere wirtschaftlichen Interessen“) ja schon bei Köhler schief lief. Vielleicht ließe man es Böhrnsen immerhin durchgehen, wenn er unsere gute alte Speckflagge zur Nationalfahne deklarieren würde. Denn ihm obliegt derzeit die „Ehrenhoheit“, die Definitionsmacht über gesamtstaatliche Symbole.
Wie aber nutzt Böhrnsen seine „Funktion gem. Art. 57 GG“ in Wirklichkeit? Er empfängt demnächst Humboldt-Stipendiaten, akkreditiert langweilige Botschafter. Er ist eben die perfekte Verkörperung der „pouvoir neutre“, als die das Präsidentenamt in der staatsrechtlichen Literatur gelegentlich bezeichnet wird. HB
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