Die Ehre eines Juristen

Weil er zwei Richter der geistigen Nähe zum Nationalsozialismus bezichtigt haben soll, steht ein Bremer Rechtsanwalt seit gestern wegen Beleidigung vor Gericht. Kaum Gefahr für seine Zulassung

von Jan Zier

Gleich zwei Verteidiger hat sich Jan S. zum Amtsgericht mitgebracht. Was aber nicht daran liegt, dass der 40-jährige Angeklagte der Rechtsmaterie völlig unkundig wäre. Jan S. ist Rechtsanwalt von Beruf – und die beiden Herren links und rechts neben ihm sind seine Bürokollegen. Für sie ist es ein Akt der Solidarität. Gegen die Staatsanwaltschaft. Vor allem aber: gegen das Gericht.

Denn genau das soll Jan S. beleidigt haben, mit zwei Vergleichen zur Nazizeit. „Wie der historische Zufall es so will“, schrieb er dem Sozialgericht Hannover, treffe dessen Beschluss „Angehörige einer Minderheit, die bereits vor 60 Jahren von den geistigen Großvätern der heutigen Richtergeneration als lebensunwert bezeichnet und hunderttausendfach vernichtet wurden“. Das Gericht hatte zuvor einen Befangenheitsantrag von Verteidiger S. abgelehnt, betroffen war ein abgelehnter Asylbewerber aus Serbien-Montenegro. Am Ende stand eine „rechtswidrige ‚freiwillige‘ Ausreise“, wie der Kollege von S. es gestern formulierte.

Auch in einem anderen Verfahren soll sich der Anwalt S. einschlägig geäußert haben. Dieter Nordhausen etwa, ehemals Richter am Amtsgericht Bremen, musste sich anhören, „er vertrete Auffassungen, die in diesem Staat zuletzt 1934 mit den Nürnberger Rassegesetzen vertreten worden seien“. Jedenfalls behauptet das die Anklage.

Geklärt werden konnte der Vorwurf gestern nicht. Jan S. schweigt in dieser Frage beharrlich, auch seine beiden Verteidiger wollen Inhaltliches nicht weiter diskutieren. „Das ganze Verfahren ist anrüchig“, polterte Hans Meyer-Mews stattdessen. Es erinnere an „Schiebereien bei einem Fußballverein“. Befangen sei er, der Herr Amtsrichter – genauso wie jeder seiner Bremer Kollegen. Schließlich war auch Nordhausen einer von ihnen bis zu seiner Pensionierung. Kollege Hans Ahlers blättert derweil in seinen Unterlagen. Für befangen hält er sich nicht, auch an ein anderes Amtsgericht – wie von der Verteidigung gefordert – mag der den Fall nicht abgeben. Unbeirrt hält er an seinem Prozess fest, verliest allerlei juristische Schriftsätze der beiden in Rede stehenden Verfahren.

Auch die Verteidigung gibt sich unbeirrt, stetig werden neue Anträge gestellt. „Das ist vielleicht Kleinkrämerei“, gesteht Anwalt Jan Lam an einer Stelle ein. Aber irgendwie, ergänzt Meyer-Mews, sei man das dem Angeklagten ja auch schuldig. Bei einem kleinen Drogendealer etwa müsse man nicht immer so genau sein, findet er – „aber als Anwalt merkt Herr S. das ja“. Und wer weiß schon, ob es die Richterin, die Jan S. dieses Verfahren eingebrockt habe, überhaupt gebe? „Vielleicht“, mutmaßt Meyer-Mews „ist der Name ja nur ausgedacht?“

Egal, wie das Verfahren am Ende ausgeht: Beruflich hat Jan S. wenig zu befürchten. Um seine Zulassung als Anwalt „von Amts wegen“ zu verlieren, müsste er zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt werden. Das ist bei einer Beleidigung schon die Höchststrafe. Hans Ahlers schüttelt mit dem Kopf.