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: Die Fußballfans sind auf den Hund gekommen

Alle gucken Fußball. Auch die taz. Bis zum Ende der WM berichten wir täglich live von den Berliner Spielplätzen. Heute: Frankreich – Südkorea im „Prinz Oslo“ im Wedding.

Tinka heißt der schwergewichtige französische Hirtenhund mit ockerfarbenem Fell, der mit seiner stoischen Haltung den Weg zum Tresen im „Prinz Oslo“ versperrt. Fast scheint er eine Art Wächter zu sein für die Fans, die hier im „WM-Studio Wedding“ Fußball schauen wollen. Vielleicht möchte er zur Partie Frankreich gegen Südkorea ja nur Anhänger des Nachbarlandes durchlassen? Koreanische Fans sind jedenfalls keine gekommen.

Tinka sinniert noch, da feiert im Hintergrund schon eine Französin den ersten Treffer ihres Teams, nach gerade mal neun Minuten. „Allez les bleus“, ruft sie Stürmer-Superstar Thierry Henry zu. Er hat das Tor geschossen und jubelt jetzt auf der Großbildleinwand. Frankreich scheint auf dem Weg zum Pflichtsieg. Die koreanische Mannschaft ist perplex.

Seit der Fußball-WM gibt es das Kulturprojekt Prinz Oslo an der Ecke Prinzenallee/Osloer Straße im Wedding. Alle WM-Spiele werden hier gezeigt. Das WM-Studio hat sich im Erdgeschoss eines ehemaligen Umspannwerks der Bewag eingerichtet. Von außen ein unscheinbarer Backsteinbau. Drinnen findet der WM-Fan und Szenegänger angenehme Aufnahme. Und das ist schon etwas Besonderes in einem Bezirk, in dem Schultheiß-Eckkneipen auch schon mal „Alle WM-Spiele life übertragen“. Life is Life. Nana…

Heiko und Jens haben den Hut auf im WM-Studio Wedding. Die beiden 33- und 34-Jährigen halten den Laden mit einigen Freunden am Laufen. „Wir wollen keinen Ausverkauf der WM. Wir wollen Fußball schaun mit den Leuten aus dem Kiez“, sagt Jens über das Programm. Das Publikum ist mehrheitlich bebrillt und studentisch. Manchmal verirren sich aber auch Mittvierziger in Lederhosen hierher, die aussehen, als ob sie gerade einen Medizinball verschluckt haben. Am Kickertisch spielen meist einige türkische Kids aus der Nachbarschaft.

Heiko will mehr als nur Fußball konsumieren. Er plant, eine Art eigene Modelinie zu kreieren, und möchte ein weißes WM-Doppelripp-Unterhemd mit Leibchen-Ästhetik herausbringen. Daran könnten sich die Prinz-Oslo-Gänger erkennen, hofft er. „Im Feinripphemd ist keiner fremd“, soll darauf stehen. Integration im Weddinger Multi-Nationen-Kiez.

Heiko wirkt trotzdem ein bisschen unzufrieden: „Die Weltmeisterschaft geht am Wedding vorbei. Das Stadtbild hat sich nicht geändert.“ Fans in voller Montur würden nur selten auf der Straße gesichtet. Nur wenn Deutschland spielt, füllt sich das Prinz Oslo bis auf den letzten Sitzplatz. Doch genau das ist der Sympathie-Faktor für das Prinz Oslo – wer entspannt und ohne Platzangst Fußball sehen will, ist hier gut bedient.

Das Prinz Oslo-WM-Studio ist ein Zwischennutzungs-Projekt, das unter anderem mit Geldern der Bundesregierung und der EU gefördert wird. Hier sind auch Fotografen, Designer und Filmschaffende seit dem vergangenen Jahr heimisch geworden. Wie viele Gewerbeflächen im Wedding stand das gesamte Haus seit Ende der 90er-Jahre leer. Spätestens im März 2007 wird das Umspannwerk verkauft. Bis dann entscheidet sich, ob Heiko, Jens und die anderen Kulturschaffenden das Objekt kaufen können. Die Chancen stehen 60 zu 40 für das Prinz Oslo, glaubt Jens.

Inzwischen ist im Spiel Frankreich – Südkorea die 81. Minute angebrochen: Der späte Ausgleichstreffer der vermeintlichen Außenseiter aus Südkorea lässt Jubel und fairen Applaus aufbranden – obwohl klar erkennbare Südkorea-Fans fehlen, gibt man sich hier meist neutral. Traurig sind hingegen die Französinnen im Prinz Oslo. Jenseits von Traurigkeit und Jubel verharrt Hirtenhund Tinka weiter im defensiven zentralen Mittelfeld. Marcus Fiebig

Kulturprojekt Prinz Oslo: WM-Studio Wedding, Osloer Str. 16, ab 15 Uhr alle WM-Spiele auf Großbildleinwand (drinnen) und TV (draußen). Eintritt frei