geronimos nasser hund von JOACHIM SCHULZ
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Ich habe mich von Bernd überreden lassen, ihn zur langen „Bonanza“-Nacht im Capitol zu begleiten, und ebendrum grinst er breit, als ich bei ihm auflaufe, um ihn abzuholen. Kaum aber sind wir in sein Auto gestiegen und losgefahren, runzelt er die Stirn. „Hm“, macht er und schnuppert, während er den Wagen durch die engen Straßen seines Viertels lenkt. „Was ist?“, sage ich. Er schnüffelt an seinem Mantel, am Fensterputztuch, dreht sich schnobernd zur Rückbank um. „Riechst du das nicht?“, fragt er. Auch ich schnüffele jetzt ein bisschen, rieche aber nichts und zucke die Schultern. „Gibt’s doch nicht!“, murmelt er und steckt die Nase durchs Steuerrad in den Fußraum. Als er sich wieder aufrichtet, schaut er mich argwöhnisch an. „Was ist?“, rufe ich: „Glaubst du etwa, dass ich …?“ Schon schnuppere ich an meinem Pullover, schon lehnt Bernd sich schnüffelnd zu mir herüber, doch das führt nur dazu, dass er das Lenkrad verreißt und wir fast eine am Straßenrand parkende Luxuskarosse zerschrammen. Die Ursache der geheimnisvollen Geruchsbelästigung jedoch bleibt weiterhin verborgen. „Nee, du bist’s nicht“, sagt er, und mindestens ich bin über dieses Ergebnis des Schnüffeltests von Herzen froh.

Erledigt aber ist die Angelegenheit damit noch nicht. „Und du riechst wirklich nichts?“, hakt er noch einmal nach. „Nichts“, versichere ich. „O Gott!“, quakt er nun: „Ich habe Kakosmie!“ – „Kakosmie?“, frage ich. „Einbildung übler Gerüche“, übersetzt er. „Und?“, sage ich: „Ist das schlimm?“ – „Schlimm? Ha!“, ruft er: „Es ist das erste Zeichen des Wahnsinns, ein Hinweis auf eine solide Psychose. Wahrscheinlich werde ich ab morgen behaupten, ich wäre Geronimo, Häuptling der Apachen.“

Eine schwerwiegende Geisteszerrüttung meines alten Freundes ist freilich auch mir nicht willkommen, und daher schwenke ich meine Nase noch einmal ausführlich schnüffelnd hin und her und sage: „Warte mal, warte! Ich … Also … Hm …“ „Ja?“, ruft Bernd. „Jetzt plötzlich … Nun … Mir scheint …“ – „Ja?“, ruft er nochmals. „Dass du Recht hast!“, platzt es aus mir heraus: „Doch, da ist was! Es riecht nach …“ „Nach?“, sagt er. „Nach …“, sage ich. „Nach nassem Hund?“, fragt Bernd, und ich rufe: „Genau! Es riecht penetrant nach nassem Hund!“ Und in diesem Augenblick habe ich tatsächlich den Eindruck, dass mir ein dumpfes, fauliges Odeur in die Nase steigt und unter meinem Sitz ein triefend nasser Langhaardackel liegen muss. Als wir vorm Capitol geparkt haben, forschen wir mithin noch einmal intensiv nach einem modrig müffelnden Fiffi. Ein nasses Tier jedoch ist weder unter den Sitzen noch anderswo zu finden, und deshalb kommt es uns sehr gelegen, dass plötzlich Raimund auftaucht und „Moinmoin, was macht ihr denn da?“ sagt.

„Raimund“, erwidere ich, „halt doch mal deine Nase ins Auto und sag uns, was du riechst!“ – „Und?“, fragt Bernd, als Raimund den Kopf wieder hervorzieht: „Riecht’s in dem Wagen nicht unverkennbar … – nach nassem Hund?“ – „Nach nassem Hund?“, versetzt Raimund: „Nö. Da drinnen riecht’s nach Käse.“ –„Nach Käse?“ „Nach altem Harzer Stinker“, sagt er und irgendwas in seinem Blick erinnert mich plötzlich sehr stark an Geronimo, Häuptling der Apachen.