Sanierung kommt in die Gänge

STADTENTWICKLUNG Senat will Stadtumbauprogramm für Künstlerviertel anzapfen. Die ehemaligen BesetzerInnen arbeiten gerade an einem Erneuerungskonzept

Das Gängeviertel in der Neustadt ist das letzte Zeugnis einer Bauweise, die nach 1650 das Hamburger Stadtbild bestimmt hat.

■  Bewohnt wurden die Häuser vor allem von Hafen- und Gelegenheitsarbeitern. Sie lebten in einer damals typischen Mischung neben Werkstätten und Fabriken.

■  Rund 6,2 Quadratmeter standen jedem Bewohner zur Verfügung. Die Viertel waren die am dichtesten besiedelten der Stadt.

■  Abgerissen wurden die Gängeviertel, weil das Wohnen dort als ungesund galt und sie schwer zu kontrollieren waren.

Aus dem Gängeviertel soll ein förmliches Sanierungsgebiet werden. Die Stadtentwicklungsbehörde steckt dafür gerade die Rahmenbedingungen ab, zusammen mit der Finanzbehörde, dem Bezirk Mitte, der Künstlerinitiative und der Stadtentwicklungsgesellschaft Steg als Beraterin. Für ein Sanierungsgebiet kann der Senat Fördergeld der EU und des Bund beantragen.

Das ehemalige Arbeiter- und Fabrik-Quartier zwischen Valentinscamp, Speckstraße und Caffamacherreihe war im August 2009 von rund 200 Kunstschaffenden besetzt worden. Sie wollten eine Luxussanierung durch den niederländischen Investor Hanzevast verhindern. Der Protest fand breiten Widerhall, so dass sich der Senat am Ende bereit fand, das Gebäudekonglomerat zurück zu kaufen und in ein Treuhandvermögen zu überführen, das die Künstler nutzen dürfen.

Um Ostern herum haben die Kunstschaffenden ein Konzept dafür vorgestellt. Leben und vor allem künstlerisches sowie kunsthandwerkliches Arbeiten sollen im Quartier eng miteinander verschränkt werden. In der eher öden Innenstadt könnte ein Viertel entstehen, in dem einmal nicht die üblichen Büros und Läden zu finden sind, sondern in dem Leute wohnen, die ihr Lebensumfeld selbst gestalten und damit das Stadtleben bereichern.

Nach Angaben der Hamburger Stadtentwicklungsbehörde liegen die Vorbereitungen für die Einrichtung eines Sanierungsgebiets „völlig im Zeitplan“. Ziel sei es, den entsprechenden Antrag im August zu stellen. Bis dann allerdings die ersten finanziellen Mittel fließen, dürfte es allerdings einige Zeit dauern – während die KünstlerInnen gegen den Verfall der alten Gebäude ankämpfen. „Vor dem nächsten Winter müssen Notmaßnahmen ergriffen werden“, warnt Christine Ebeling, die Sprecherin der KünstlerInnen.

„Damit es Hamburg möglichst wenig kostet, müssen wir den formalen Weg eines Sanierungsgebiets beschreiten“, sagt Enno Isermann, der Sprecher von Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk (GAL). Die Behörde wolle sich Zeit lassen, um ein Sanierungskonzept zu erstellen, das auch von allen Akteuren getragen werde.

Acht KünstlerInnen im Quartier arbeiten derweil schon an den Details eines Erneuerungskonzepts. „Wir gehen sehr ins Detail“, sagt Ebeling. Die Kunstschaffenden wie die Stadtentwicklungsbehörde versichern wechselseitig, sie arbeiteten gut zusammen. Nur die Finanzbehörde spiele nicht ganz so mit, sagt Ebeling. GERNOT KNÖDLER