SPIELPLÄTZE (9)
: Kokosbier und Enttäuschung

FUSSBALLGUCKEN Elfenbeinküste gegen Brasilien im Afrika Haus

Ort: Afrika Haus, Bochumer Straße 25, Westmoabit. Gezeigt werden alle Afrika-Spiele.

Sicht: Optimal, Großbildleinwand.

Kompetenz: Breit gefächert. Modisches trifft auf fußballerisches Know-how.

Nationalismus: Allgemeine Afrika-Zugewandtheit. Aber wenn der Gegner besser spielt, ist es auch okay.

Wurst: Kein Essen, dafür aber „Mongozo“. Und andere Getränke.

Kurz vor Anpfiff macht das Bier Ärger. Das „Mangozo“ mit Kokosgeschmack schäumt beim Ausschenken so stark, dass sich ein See auf dem Tresen bildet. Der bayerischen Tresenkraft ist das nicht geheuer: „Möcht mal wissen, wo des herkommt“, murmelt sie und untersucht das Etikett. Für weitere Nachforschungen ist keine Zeit, das Spiel Elfenbeinküste – Brasilien beginnt. Erwartungsvolle Stille senkt sich über das gelb gestrichene Afrika Haus, wo es seit 1993 Konzerte, Filme und Vorträge gibt.

Wo sich sonst die Gesellschaft für afrikanische Philosophie trifft, sitzt am Sonntagabend der Kiez: Familien, Pärchen, einzelne Fans. Mu ist aus Tempelhof angereist. Dem Eritreer sind Kneipen zu laut. Im Afrika Haus könne er in Ruhe mit anderen gucken, die „für Afrika“ seien. „Für Afrika“ sind auch die drei mittelalten Ladys, die direkt vor der Leinwand sitzen und alles kommentieren. Die engen, grün-weißen Trikots der Ivorer kommen super an, beim Close-up auf den hymnensingenden Didier Drogba wird geseufzt. Das Damentrio, erzählt der Chef des Afrika Hauses, komme zu jedem Afrika-Spiel, gern auch in ghanaische Flaggen gehüllt.

Es fängt gut an für die Ivorer, im Saal ist zufriedenes Pistazienknacken zu hören, ab und zu ein leises „Ja!“. Die Deutschen zeigen mehr Emotionen als die wenigen Afrikaner. Oumar Diallo, Betreiber des Afrika Hauses, behält die Mütze auf und bewahrt Haltung. Der Soziologe stammt aus Guinea und interessiert sich eher dafür, wie der Kontinent abseits des Spielfelds weiterkommt. Beim 1:0 für Brasilien entringt sich ihm trotzdem ein leiser Seufzer.

In der Pause ist klar: Die Elfenbeinküste wird es nicht reißen. Oumar Diallo steht mit undurchdringlicher Miene auf dem Bürgersteig und raucht: „Mal sehen, wie lange das noch geht mit Afrika“, sagt er. Er meint die WM. Mu aber meint, die WM sei mal eine Chance für Berichte jenseits von „Bürgerkrieg, Hunger, Bürgerkrieg“. Dann redet er vom Bürgerkrieg in seiner Heimat. „Das Spiel geht weiter“, sagt Diallo freundlich.

Drinnen sind die Reihen gelichtet, das Damentrio ist zum Duo geschrumpft. Still ziehen Fabianos Handspiel, das 3:0, das 3:1 vorbei. Die Tresenkraft forscht noch immer in Sachen „Mongozo“. Das schmackhafte Bier wird in Belgien hergestellt, allerdings mit „Fair Trade“-Siegel. „Wieso treibt man in Belgien fairen Handel?“, ruft die Frau. Eine Antwort bekommt sie nicht, das Spiel ist verloren, es bleiben keine Fragen. NINA APIN