LESERINNENBRIEFE
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Vorurteile aus der Vergangenheit

■  betr.: „Unser Israel (1), Feiger Hass“, taz vom 19. 6. 10

Antisemitismus findet sich beileibe nicht nur an den extremen Rändern, sondern auch in der politischen Mitte, wie wir in unserer jährlichen Umfrage zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit immer wieder zeigen können. So stimmten in 2008 40,5% der deutschen Mehrheitsbevölkerung der Aussage zu: „Was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip auch nichts anderes als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben.“ Von jenen, die ihre politischen Ansichten als „genau in der Mitte“ ansiedelten, kommt 43,6% Zustimmung, von den „ganz Linken“ 29,6%, und von rechts der Mitte 57,1% Zustimmung. Wer die israelische Politik mit den deutschen Verbrechen des Nationalsozialismus gleichsetzt, stimmt laut unserer Untersuchung zugleich mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit zu, dass Juden Mitschuld an ihrer Verfolgung trügen, Vorteile aus der Vergangenheit zögen, und ärgert sich darüber, dass den Deutschen immer noch die Verbrechen an den Juden vorgehalten würden. Das auffällig leidenschaftliche Engagement für die vermeintlich Schwächeren im Nahost-Konflikt ist offenbar zu einem gehörigen Teil auch vom schlummernden Wunsch der eigenen Entlastung getragen und es den Opfern endlich heimzuzahlen – links, rechts und in der Mitte. BEATE KÜPPER, Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, UNI Bielefeld

So führt man keine Debatte

■  betr.: „Unser Israel (1), Feiger Hass“, taz vom 19. 6. 10

Es ist unbedingt zu begrüßen, dass die taz eine Debattenreihe zum deutsch-israelischen Verhältnis eröffnet hat. Ich hoffe nur, sie setzt sie nicht mit dem Ton fort, den Stephan Kramer in seinem Debatteneröffnungsbeitrag vorgegeben hat. Dann kann man gleich aufhören. Jede Kritik an politischen und militärischen Maßnahmen der Regierung Israels erst einmal in die Antisemitismusecke zu stellen, ist äußerst schlechter Stil. So führt man keine Debatte. Die prinzipielle Bejahung des Existenzrechts Israels bedeutet ja nicht, dass seine Entstehung kein problembehafteter Vorgang gewesen ist, der Folgen bis in die Gegenwart zeitigt. Das Land war nie ohne Volk, 1882 nicht, 1919 nicht und auch 1948 nicht. Da wohnten Menschen, denen Jahrzehnt um Jahrzehnt Rechte und Eigentum, Lebensgrundlagen und -perspektiven entrissen worden sind. Dieses Unrecht ist, was es ist, und lässt sich mit dem Ruf „Antisemitismus“ nicht unter den Tisch kehren. Eine Debatte sollte historischen Realitäten ins Auge blicken und versuchen auszuloten, wie das Existenzrecht Israels und das Existenzrecht eines palästinensischen Staates gewährleistet werden können und was die Rolle Deutschlands dabei sein kann oder sollte. Davon spüre ich in dem Beitrag von Stephan Kramer nun leider gar nichts. TIJMEN AUKES, Duisburg

Kritiker disqualifiziert

■  betr.: „Unser Israel (1), Feiger Hass“, taz vom 19. 6. 10

Warum habt ihr statt Stephan Kramer nicht gleich den israelischen Botschafter um einen Beitrag gebeten? Er verteidigt die weltweit kritisierte Aktion Israels gegen die Gaza-Hilfsflotte mit ähnlichen Argumenten wie Kramer – muss er ja in seiner Funktion wohl auch –, hätte aber wohl doch höflichkeitshalber nicht gleich die entschiedenen Kritiker der Aktion als von „Hass“ getriebene „Antisemiten“ disqualifiziert. ANDREAS UNGER, Berlin

Das ist eine Blamage

■  betr.: „Künstler müssen draußen bleiben“, taz vom 21. 6. 10

Das ist mal wieder eine Blamage. Wir können mit einem Personalausweis in die Türkei fahren und niemand fragt uns, ob wir auch nur einen Cent in der Tasche haben. Freischaffende sind offenbar Menschen zweiter Klasse. Das spürt man allerdings auch hierzulande. EDITH SALMEN, Bernau