Ungemein lecker, aber ökologisch bedenklich

KONSERVIERUNG In Eidelstedt werden Aal, Heilbutt und Forelle wie vor hundert Jahren über offenem Feuer geräuchert. Solange der Meister weitermacht, genießt der Betrieb Bestandsschutz

VON DARIJANA HAHN

Schon von Weitem ist der markante, rauchende Schornstein im Eidelstedter Industriegebiet Binsbarg zu sehen. Wer sich der Fischräucherei Stöcken in der Ottenser Straße 86 nähert, kann schließlich den Rauch von verbranntem Holz deutlich riechen. Und wer in die Räucherei tritt, der sieht, dass der Rauch bei Weitem nicht nur durch den Schornstein entweicht. Vielmehr scheint er durch alle Ritzen der Öfen zu treten. Die Öfen gehören zu der aussterbenden Gattung der Altonaer Öfen, die vor mehr als hundert Jahren in Altona erfunden wurden, einer einstigen Hochburg der Fischräucherei.

Was die Öfen von ihren modernen Nachfolgern unterscheidet, ist die Tatsache, dass in ihnen über offenem Feuer geräuchert wird. Entsprechend häufig legt Wolfgang Lamken in der Räucherei Stöcken neues Holz nach. Beim Feuern muss Lamken Fingerspitzengefühl beweisen. „Die Flammen dürfen nie zu hoch schlagen“, sagt der 62-Jährige, der von seinem Schulfreund und Chef Hartwig Stöcken vor Jahrzehnten in die Kunst des Räucherns eingeführt wurde. „Wenn die Flammen zu hoch sind“, erklärt Lamken, „dann platzen die Fische auf.“

Bevor er weiterspricht, öffnet er eine Eisentür und gießt Wasser in das Feuer, dass es nur so dampft und zischt. „Wenn die Fische aufplatzen“, fährt Lamken mit seiner Erklärung fort, „dann sagen wir, dass wir ,Püschen‘ gemacht haben.“ Und diese „Püschen“ lassen sich dann nicht mehr als vollwertig verkaufen.

Deswegen braucht der Räucherer, wie dies Oskar Stöcken ausdrückt, „Umsichtigkeit, Ruhe und Geduld“. Mehr noch, es sei wie eine Philosophie, und der Räucherer müsse „eins sein mit seinem Ofen“. Auch wenn dies für Lamken etwas hochtrabend klingt, hält er seine Hand wie zur Demonstration an den Ofen, um die Temperatur zu fühlen.

Bei einem Räuchervorgang, der zweieinhalb Stunden dauert, werden bis zu zehn Kilo Holz – Buche, Erle oder Esche – verbrannt, um die Räuchertemperatur von 80 Grad zu halten. Immer wieder prüft Lamken auch den Zustand der Fische. In dem einen Ofen hängen 86 Aale und in dem anderen eine Mischung aus Heilbutt, Forelle, Makrele und Schillerlocken. „Am empfindlichsten ist der Fisch, wenn er dreiviertel gar ist“, sagt Lamken, während er vorsichtig an den Aalen drückt. „Dann ist der Garvorgang beendet, dann soll er nur noch etwas Farbe kriegen.“

Goldgelb soll der Fisch am Ende sein und vor allen Dingen weich. „Der Kunde darf nicht das Gefühl haben, dass er in einen Apfel beißt“, sagt der Fachmann und sinniert darüber, dass heutzutage gar nicht mehr so viele Kunden überhaupt Aal kaufen. Wie allgemein die Nachfrage nach Räucherfisch stark abgenommen hat.

„Ich hab Kubikmeter geräuchert“, erzählt der wortkarge Hartwig Stöcken, der in den 60er-Jahren in der Fischräucherei in der Großen Freiheit noch eine Lehre zum Fischwerker gemacht hat. Zusammen mit seinem Bruder Oskar betreibt er die Räucherei mitsamt Frischfischgeschäft, das die beiden von den Eltern übernommen haben. Was Stöcken heutzutage an Räucherfisch anbietet, sei im Gegensatz zu früher geradezu „lächerlich“.

Wenn sich Hartwig Stöcken eines Tages entschließen sollte, mit dem Räuchern aufzuhören, dann würde das auch das Aus für die letzten gewerblich genutzten Altonaer Öfen bedeuten, da diese laut Angaben des Bundesverbandes für Fischindustrie und Fischgroßhandel aus Gründen des Immissionsschutzes nicht mehr zugelassen werden dürfen. Und ohne Altonaer Ofen auch keinen manuell geräucherten Fisch, dessen Geschmack die Slow-Food-Bewegung in Hamburg als „unvergleichlich“ bezeichnet.

Wilhelm Stöcken Fischräucherei, Ottensener Straße 86, 22525 Hamburg-Eidelstedt, ☎ 040/54 11 25