Kriegsbegeisterte Massen

JAHRESTAG II Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs jährt sich zum 100. Mal – auch das DHM erinnert daran

Anders als im Zweiten Weltkrieg war Berlin im Ersten Weltkrieg kein Kriegsschauplatz. In der Hauptstadt des Kaiserreiches wurde nicht gestorben, sondern gejubelt, auch wenn das Bild von den kriegsbegeisterten Massen – das „Augusterlebnis“ – inzwischen relativiert wurde. Deutschland kannte auch nach den Kriegserklärungen an Russland und Frankreich Anfang August 1914 noch Parteien und nicht nur Deutsche, wie es Kaiser Wilhelm II. suggerierte.

Gleichwohl wird 2014, auch in Berlin, ein Mammutjahr des Erinnerns. Im Deutschen Historischen Museum startet ab 6. Juni die zentrale Schau „1914–1918. Der Erste Weltkrieg“. Es folgen Ausstellungen über Fotografie im Ersten Weltkrieg, über Mode und Grafik oder das Ende der Belle Époque.

Welche Erzählung aber wird das Mammutjahr hinterlassen? Nicht ganz zu Unrecht warnte Moritz Schuller vor Kurzem im Tagesspiegel davor, dass die Deutschen sich weniger mit dem Krieg und seinen Opfern beschäftigen wollten, sondern vor allem mit der Gegenwart: „Die Deutschen blicken auf 1914 zurück und sehen darin die Geburtsstunde der Europäischen Union.“

Anders dagegen in Frankreich oder Großbritannien, wo die Zahl der Opfer weitaus höher war als die im Kaiserreich. Nicht umsonst heißt der Erste Weltkrieg dort der Große Krieg. In Deutschland dagegen steht – wegen der Dimension der Schuld, aber auch wegen der Opferzahlen – der Zweite Weltkrieg im Zentrum des Erinnerns. Gibt es also überhaupt ein europäisches Erinnern an 1914?

Das DHM ist sich seiner Aufgabe bewusst. Kuratorin Juliane Haubold-Stolle hat ihrer Schau deshalb einen „erweiterten Blickwinkel“ verpasst: Am Beispiel von 15 Orten, darunter Berlin und Petrograd, soll der Besucher die Ausmaße des Konflikts und seine Folgen verstehen, verspricht sie.

Auch die Frage der Kriegsschuld könnte noch einmal befeuert werden. In seine Buch „Die Schlafwandler“ hat der australische Historiker Christopher Clark die Deutschen entlastet. Sein Buch wurde zum Bestseller. In Frankreich sind andere Bücher über „La Grande Guerre“ in den Charts. UWE RADA