Der Papst ist kein Marxist

WEIHNACHTSKASINO – „Der Papst sagt, unsere Wirtschaft tötet, und übt doch keine Systemkritik“, schreibt Ulrike Herrmann in einem Debattenbeitrag. Dazu gab es in der online-taz zahlreiche Kommentare und einen Leserbrief an die taz

LESERINNENBRIEFE ZUM THEMA
Noch viel Kraft

■ betr.: „Der Papst und das Kapital“, taz.de vom 25. 12. 13

Ausufernder Materialismus und die Bergpredigt von Jesus Christus, das möchte Papst Franziskus gegenüberstellen. Der Papst erhöht mit seiner Botschaft die Armen und beschämt die skrupellosen Kapitalisten, Kommunisten, Diktatoren, Politiker und auch Normalbürger, die nur im eigenen Egoismus ihr Leben verbringen. Mit seiner eingeleiteten Reform in der katholischen Kirche hat Papst Franziskus begonnen, dass das Wort Jesu in den eigenen Reihen mehr Gewicht erhält und auch mehr eigenes Handeln erfordert! Noch viel Kraft, das wünsche ich Papst Franziskus!

WALTER GLEICHMANN, taz.de

Wohlstand

■ betr.: „Der Papst und das Kapital“, taz.de vom 25. 12. 13

Es leben viele Menschen im Wohlstand, aber eben auf dem Rücken der Armen. Es gab nie mehr arme Menschen als heute, nie hat eine Clique den Planeten mehr ausgebeutet für den Wohlstand von Wenigen. Veränderungen sind nicht zwingend negativ, aber Veränderungen führten bislang immer dazu, die Taschen Weniger immer weiter zu füllen und Hohn auf die Menschen auszuschütten, die per Geburt ebenfalls ein Anrecht auf Resourcen und Glück haben.

RICHTIGBISSIG, taz.de

Deutscher Blick

■ betr.: „Der Papst und das Kapital“, taz vom 20. 12. 13

Es ist ein sehr euro- und spezifisch deutscher Blick, mit dem Ulrike Herrmann versucht, das, was sie gelesen hat einzu-norden. Hätte sie doch mal etwas genauer gelesen. Dann wäre ihr aufgefallen, dass der Franziskus genau ihre Kritikpunkte genannt hat, darauf hingewiesen hat, dass er nicht der große Soziologe, Ökonom, Analysierer sei. Die lokalen Gemeinden und Kirchen hat er aufgerufen, nun „Fleisch bei de Fische“ zu tun. Hier mal nachzufragen, was habt ihr aus diesem Papier gemacht. Wie konkretisiert ihr es für eure Kirche – das wäre und ist nötig.

Ich, ein evangelischer Pfarrer im Ruhestand, hoffe jedenfalls, dass dieses Papier auch in der evangelischen Kirche, auch hier in Berlin wahrgenommen wird und man sich die Anfragen gefallen lässt, die Franziskus da stellt – nicht nur im Blick auf die Wirtschaft. Von der Analyse zum Handeln zu kommen, das ist die Aufgabe. Gemeinden zu haben, die aufpassen, dass der Mindestlohn wirklich umgesetzt wird und nicht für die Armen die Ausnahmeklauseln gelten (zum Beispiel für die rumänischen und bulgarischen und vielleicht auch bald ukrainischen Saisonarbeiter). Ist es nicht ein evangelischer Skandal, dass Gottesdiensträume und Gemeindehäuser, die in guter Lage liegen, für horrende Preise an Investoren verscherbelt werden, um die Kirche am Alex erstrahlen zu lassen, um ein von oben implantiertes Lehrhaus am Petri-Platz zu errichten? Es gibt nicht nur die Tebartze von Limburg, sondern auch die evangelischen Tebartze von Berlin-Mitte. Frau Herrmanns Wunschzettel nach einem vermutlich eher „alten Marx“ hat sich in Franziskus nicht erfüllt. Aber manchmal ist vielleicht auch der Wunschzettel falsch oder an den falschen Weihnachtsmann gerichtet. CHRISTIAN MÜLLER, Berlin

Nächstenliebe

■ betr.: „Der Papst und das Kapital“, taz.de vom 25. 12. 13

Im Zentrum des christlichen Denkens steht der einzelne Mensch in seiner Verantwortung. Dass hier das Gebot der Nächstenliebe und die Einforderung dessen Konsequenzen auch aus Rom wieder klar zu hören sind, gehört zu den erfreulichen Entwicklungen des Jahres 2013. Daraus ein Konzept für die Gesellschaft zu formulieren, ist eine politische Aufgabe, der sich ein Bischof von Amts wegen nicht stellen kann. Denn in der Umsetzung der Gebote im politischen Alltag nimmt die Klarheit dieser Gebote zwangsläufig Schaden. Hier ist die Verantwortung des Einzelnen wichtiger als die Vorgabe von Rezepten.

Klar ist, dass von Jedem gefordert wird das Seine zu einer gerechten Gesellschaft beizutragen. Die Wahl der Waffen – Marx, Eucken, was auch immer – ist seine Verantwortung.

DELPHINA JORNS, taz.de

Wirkungslos

■ betr.: „Der Papst und das Kapital“, taz.de vom 25. 12. 13

Es sind nicht die Systeme an sich schlecht, sondern die Probleme liegen in den Menschen, die die Systeme ausgestalten. Gier und Rücksichtslosigkeit ist kein Problem des Geldes oder Kapitals an sich, dies sind Ausprägungen menschlichen Verhaltens. Insofern wird das Abschaffen des Kapitalismus nichts bewirken, wie auch die Überwindung des Feudalismus nichts bewirkt hat bezogen auf die Ausbeutung des Menschen durch Menschen. BERND SCHUMANN, taz.de

Eine Chance

■ betr.: „Der Papst und das Kapital“, taz.de vom 25. 12. 13

Radikale Veränderungen müssen nicht unbedingt zu einer Verbesserung führen. Auch wenn manche Marxisten da Heilsversprechen geben. Leider wurde und wird auch im Namen von Marx gemordet, eingesperrt, ausgenutzt usw. In Europa glauben immer weniger Menschen an Heilsversprechen jeglicher Art … vielleicht ist das sogar eine Chance aus alten Ideologien, Feindschaften usw. herauszufinden? Die Erfahrungen der Befreiungstheologie sind für mich manchmal interessanter als von so manchem Antikapitalisten oder Marxisten. GAST, taz.de

Seit an Seit

betr.: „Der Papst und das Kapital“, taz.de vom 25. 12. 13

Ausnahmslos alle christlichen Kirchen und Religionen stehen ideologisch und politisch an der Seite der herrschenden Reichen. Konkret, an der Seite der herrschenden Finanz- und Monopolbourgeoisien in Deutschland und deren Europäischen Union, deren spätbürgerlichen und postfaschistischen Administrationen: den historischen und staatsmonopolitischen Gewalt-, Staatsschutz-, Überwachungs- und Beamtenapparat, alle spätbürgerlichen und modifiziert kapital-faschistischen Parteien, Wissenschaften, Regierungen und Parlamente. WOLFGANG, taz.de

Es wird geschmollt

betr.: „Der Papst und das Kapital“, taz.de vom 25. 12. 13

„Es war nicht die Kirche, die viele Menschen aus der Armut herausgeführt hat – sondern die Industrialisierung, die ab 1760 in England einsetzte. Der Wohlstand ist also genau jenem Kapitalismus zu verdanken, der nun von Franziskus angeprangert wird.“ Die Kirche war’s sicher nicht, aber „der Kapitalismus“ auch nicht. Es waren Innovationen, die das Leben angenehmer machten, und zwar lange nur für die besitzende Klasse. Dass das Profitstreben der Kapitalisten diese Innovationen hervorgebracht hätte, ist die zentrale Apologetik des Kapitalismus, und es ist bedauerlich, dass diese auch in der taz verbreitet wird. Große infrastrukturelle Verbesserungen des Lebensstandards wie Wassernetze waren ohnehin staatliche Projekte, keine privaten. Aber ich verstehe, dass geschmollt wird, wenn jetzt die katholische Kirche den Kapitalismus angeht, während das linke Establishment vollkommen systemkonform ist.

JENGRE, taz.de