ORTSTERMIN: BORIS BECKER UND REINER CALMUND ÜBER DEUTSCHES GLÜCKSSPIEL
: Pokerface trifft Schwarz-rot-goldig

Boris Becker ist da und Reiner Calmund, aber in Wahrheit ist es sein Abend: Hans-Jörn Arp, Gastwirt aus Wacken und CDU-Abgeordneter im Kieler Landtag, moderiert die Show zum Glücksspielstaatsvertrag. Arp steht im Plenarsaal des Landtages neben dem Podium, strahlt und stellt Fragen, die er leicht selbst beantworten könnte. Damit ist er eine Ausnahme, denn der Glücksspielstaatsvertrag gehört zu den Themen, um die Parlamentarier gern einen Bogen machen, gesteht CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher: „Weil diese Verträge kompliziert sind und von speziellen Referenten in den Staatskanzleien gemacht werden. Und da denkt sich jeder Abgeordnete: Okay, dann streiten wir uns nicht und lassen das mal so.“ So einfach kann Politik sein – vermutlich stimmt es in diesem Fall sogar.

Der „Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland“ reguliert Lotto und Toto, Wetten und Glücksspiel, Daddelhallen und Casinos. Über allem schwebt das staatliche Monopol, ausgeübt durch die Bundesländer. Was nicht darunter fällt, ist verboten.

„Wetten, dass fast jeder hier im Raum illegal wettet? Schließlich ist jede Tippgemeinschaft im Büro über den Ausgang der Fußball-WM unerlaubtes Glücksspiel“, sagt FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki, der mit auf dem Podium sitzt, um zu zeigen, dass FDP und CDU an einem Strang ziehen. Sie wollen einen neuen Staatsvertrag, um die illegalen Angebote, vor allem die im Internet, in die Legalität – und nach Deutschland – zurückzuholen. Es geht um einen geschätzten Jahresumsatz von 7,8 Milliarden Euro, der doch lieber hier als im Ausland versteuert werden solle. Darüber hinaus verbessere sich der Schutz der Wetter vor Abzockern und der Kampf gegen Spielsucht sei auch leichter – eigentlich würde alles besser durch neue Spiel-Regeln, meinen die Herren auf dem Podium.

Boris Becker kann jetzt nicht so viel sagen zum Thema, nur dass Wetten in England dazugehörten. Ansonsten guckt er meist mit ziemlich leerem Blick über die Köpfe der Gäste hinweg. Vielleicht übt er sein Pokerface? Normalsterbliche können gegen Becker im Internet antreten, außerhalb der deutschen Gesetze. Poker hat viel mit Strategie zu tun, verrät Becker.

Die CDU-Fraktion versichert, Beckers Auftritt habe sie keinen Cent gekostet, auch vom Sponsor sei kein Geld geflossen. Dabei haben die Anbieter großes Interesse daran, auf dem deutschen Markt zu arbeiten und zu werben. Und auch der Sport wäre dafür, der Profi- wie der Breitensport, weiß Reiner Calmund, der sich tatsächlich ereifert bei dem Thema: „Der Deutsche Fußballbund baut die Stadien, zahlt die Spieler, und das Geschäft läuft im Ausland.“ Dabei sei das Geld doch „für jeden Superidioten zu sehen“. Er sei „nicht CDU und nicht FDP, sondern schwarz-rot-gold“, sagt Calmund.

Am Ende diskutieren wie üblich die Landespolitiker: Ekkehard Wienholtz, heute Präsident des Landessportverbands, früher SPD-Innenminister, gibt aus dem Publikum ein halbes Lob für das neue Modell ab. Was aber, wenn Schleswig-Holstein die anderen Länder nicht überzeugt? Die Antwort ist ein echter Kubicki: „Wir können das auch allein.“ Boris Becker zeigt ein Pokerface dazu. ESTHER GEISSLINGER