Anti-Volkswagen am Start

Eine Genossenschaft will den etablierten Automobilherstellern Konkurrenz machen: Das „Volksauto“ soll mit Gas fahren und so die Umwelt schonen. Und nebenbei gekündigte VW-MitarbeiterInnen wieder in Lohn und Brot bringen

von KAI SCHÖNEBERG

Er hat Navigationssystem, Seitenairbags, Sitzheizung oder Klimaanlage – „und geht ab wie ‘ne Rakete“. Das sagt jedenfalls Karl-Peter Grube, nachdem er eine Probefahrt mit dem neuen Flitzer der „Deutschen Volksauto Genossenschaft“ (Deuvag) gemacht hat. Wenn es nach dem Willen der Deuvag-Gründer geht, könnte das mit einem Gasantrieb ausgestattete „Volksauto“ bald den Lupos und Polos vom großen Volkswagen-Konzern Konkurrenz machen. Und beim Bau einen Teil der 20.000 bis 30.000 VW-Mitarbeiter beschäftigen, die nach dem Willen des Vorstands in Europas größtem Autokonzern überflüssig sind. „Die 2,8 Millionen Euro Jahresgehalt von Konzernchef Pischetsrieder kann man sparen“, sagt Margit Ricarda Rolf. „Das Geld kann die Deuvag viel besser anlegen, um mit den künftigen VW-Arbeitslosen umweltfreundliche Autos zu bauen.“

Die Leiterin der Hamburger Mobbing-Zentrale und ihr Partner Grube haben leidvolle Erfahrungen mit Volkswagen gesammelt. Seit der Gründung des „Arbeitskreises VW“ haben sich fast 300 betroffene Mitarbeiter aus allen Konzernteilen an die Mobbing-Zentrale gewandt. Nun will Rolf den Konzern mit seinen eigenen Mitteln schlagen: mit guten Autos.

„Unsere Fahrzeuge sind bezahlbar und umweltfreundlich“, betont Rolf. Ihre Idee ist einfach: Serienfahrzeuge sollen mit einem Flüssiggasantrieb umgerüstet werden. Ein funkelnagelneuer Kia Picanto (70 PS, Höchstgeschwindigkeit 160 Kilometer/Stunde) mit Hybridantrieb, drei Jahren Garantie und vielem Chichi, das der Kunde beim Konkurrenten aus Wolfsburg extra zahlen müsste, soll bei der Deuvag nur zwischen 10.000 und 13.500 Euro kosten.

Die Betriebskosten sind ziemlich unschlagbar: Für 100 Kilometer Fahrt müssten „Volksauto“-Fahrer bei einem Autogaspreis von derzeit etwa 55 Cent pro Liter nur 3,50 Euro auf den Tankstellentresen legen. Auch an den Umbau von Limousinen der Renault-Tochter Dacia ist bereits gedacht, ohnehin an Autos, die Gas- und Benzinmotoren gleichzeitig besitzen. Als Kunden hat die Deuvag vorerst vor allem Fuhrparks von Pflegediensten und Pizza-Services im Visier. Sie können von einer zentralen Gas-Tankstelle aus bedient werden – und kommen so beim derzeit noch dünnen Gas-Tankstellennetz nicht aus der Puste. Immerhin: In Städten wie Hamburg, wo es bereits 17 Gas-Tankstellen gibt, könnte sich der Kauf eines Fahrzeugs auch für Privatpersonen lohnen.

„Bei 50 Fahrzeugen kann man 130.000 Euro Fixkosten sparen“, sagt Rainer Brosowski. Der Ingenieur fährt seit einem Jahr „ohne Mucken“ mit seinem „Volksauto“-Prototypen durch Bad Pyrmont. Brosowski hat bereits einige Erfahrung mit Gasfahrzeugen gesammelt. Vor der Wende war der 59-jährige Potsdamer Entwicklungschef bei der „VEB Propangeräte“. „In der DDR gab es doppelt so viele Gasautos wie im Westen“, sagt Brosowski. Vor allem LPGs hätten ihre Fahrzeuge mit dem Treibstoff ausgestattet, „nicht wegen der Umweltfreundlichkeit, sondern wegen des knappen Öls“.

In Brosowskis Werkstatt sind Kapazitäten frei, aber er würde auch arbeitslose VW-Mechaniker anlernen, die die Umrüstung an anderer Stelle vornehmen – wenn die Deuvag erst mal läuft. Die Firma, die er für das „Volksauto“ gegründet hat, heißt übrigens „Opitz Propan International“. Opitz, das ist der Nachname von Brosowskis Lebensgefährtin Susanne.

Zur Zeit sucht die Deuvag Gründungsgenossen, die die Firma ins Rollen bringen. Vor allem an Autogas-Tankstellenbetreiber, VW-Mitarbeiter und auch Umweltbewusste ist gedacht, die Anteile zwischen 500 und 25.000 Euro erwerben können. „Wenn der erste Auftrag kommt, ist das Auto in sieben Tagen fertig“, sagt Rolf. Und: „Rein theoretisch könnten wir sofort anfangen.“