„Ware WM“ enttäuscht

Bisher boomen vor allem Biergärten und Fanartikel. Psychologe: „Erwartungen hochgeschaukelt“

BERLIN taz ■ Wer jetzt noch eine Deutschlandfahne für sein Auto kaufen will, hat’s schwer. „Fahnen, Trikots und Schals sind in vielen Geschäften bereits ausverkauft“, sagt Hubertus Pellengahr, Sprecher des Deutschen Einzelhandelsverbands. Von dem Ansturm profitiert der Einzelhandel aber kaum. Denn die billigen Fanartikel machen nur maximal ein Prozent des Gesamtumsatzes aus, erklärt der Sprecher.

Mit dem Gewinn müssen zudem Verluste, etwa bei der Oberbekleidung, ausgeglichen werden. Abgesehen von einzelnen Branchen wie der Unterhaltungselektronik zeigt sich noch keine Spur vom großen WM-Boom. „Das war uns aber schon vorher klar“, sagt Pellengahr.

Vor allem Gastronomie und Tourismus hatten vor dem Großereignis auf kräftige Zuwächse gehofft. Doch das Urteil des Münchner ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung fällt anders aus: Die Effekte seien eher mäßig. Auf das Jahr gesehen werde sich das sportliche Großereignis, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, kaum bemerkbar machen.

Positives Image

Bei der Gastronomie gibt es sowohl Gewinner als auch Verlierer. „Große Gewinner der WM sind Gartenlokale und Biergärten mit Leinwänden zur Live-Übertragung von Fußballspielen“, sagt Stefanie Heckel, Sprecherin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands. Die klassische Gastronomie profitiere eher weniger. Ein Grund dafür sei das anhaltend heiße Wetter.

Auch in der Hotelbranche gebe es noch freie Kapazitäten, obwohl die Auslastung in den WM-Städten recht gut sei. „Bei einem solchen Großereignis besteht immer auch die Gefahr, dass das Stammgeschäft verdrängt wird“, so Heckel. Kurzurlauber mieden den Rummel in den WM-Städten, und Tagungen würden verschoben.

Es sei aber auf jeden Fall gelungen, ein positives Image in die Welt hinauszutragen. „Wir erwarten langfristig positive Effekte“, sagt Heckel. Wichtig sei der Impuls für die Belebung der Wirtschaft – und der komme eher mit dem Ereignis als ohne, sagt auch Pellengahr. „Wir hadern nicht mit der WM, auch wenn Kunden ausbleiben, weil sie Fußball gucken.“

Masse will Aufschwung

Die WM habe im Vorfeld große Hoffnungen auf einen neuen Aufschwung und Gewinnsteigerungen geweckt, in der Wirtschaft genauso wie in der Bevölkerung, sagt der Bonner Wirtschaftspsychologe Thomas Webers. „Wir haben uns alle gewünscht, die wirtschaftliche Misere hinter uns zu lassen.“ Und zu Jahresbeginn habe die leichte Konjunkturbelebung diese Hoffnungen sogar noch bestätigt.

Die Erwartungen hätten sich dann im Laufe des Jahres hochgeschaukelt. „Das ist ein emotionales Massenphänomen, eine Riesenwelle, auf der alle mitschwimmen und sich gegenseitig bestätigen“, sagt Webers. Erst jetzt komme bei einigen das große Erwachen, und die Enttäuschung trete ein. „Die Zukunft lässt sich eben nicht genau voraussagen. Das ist wie an der Börse“, so der Psychologe.

GESA SCHÖLGENS