Nationalgarde gegen Todesserie

In dem vom Hurrikan Katrina verwüsteten New Orleans im US-Bundesstaat Louisiana soll die Nationalgarde gegen Krimininelle eingesetzt werden. Polizeikräfte geschwächt

WASHINGTON taz ■ Nach einem Wochenende mit der folgenreichsten Bandenschießerei des Jahres und angesichts ausufernder Gewalt in New Orleans hat Bürgermeister Ray Nagin die Nationalgarde zur Hilfe gerufen. Bereits am Dienstag morgen seien 100 Nationalgardisten und 60 Staatspolizisten in der vom Hurrikan „Katrina“ zerstörten Stadt eingetroffen, sagte eine Sprecherin von Gouverneurin Kathleen Blanco.

Am Wochenende waren fünf Teeanger in einem Auto sitzend in der östlichen Innenstadt erschossen worden. In der Golf-Metropole wächst deshalb die Angst, dass Kriminalität und Gewalt wieder das Niveau aus der Zeit vor „Katrina“ erreichen könnte - bei gleichzeitig durch die Katastrophe geschwächten Polizeikräften.

„Solche Dinge dürfen nicht passieren und ich werde alles tun, um sie zu stoppen“, sagte Blanco. Pläne, die Nationalgarde zur Hilfe zu rufen, seien schon in der vergangenen Woche diskutiert worden, die Ereignisse vom Wochenende hätten jedoch eine neue Dringlichkeit ergeben. Der gerade erst wiedergewählte Bürgermeister Nagin sagte, die Nationalgardisten sollten nicht in der Innenstadt, sondern in den Stadtteilen postiert werden, die schwer von den Überschwemmungen betroffen und noch immer weitestgehend zerstört seien. So könne sich die Polizei auf andere Gebiete konzentrieren.

Die Polizei selbst, von scharfen Einschnitten im Budget betroffen, hatte sich in den letzten Wochen zunehmend darüber beklagt, dass sie der rasant steigenden Drogenkriminalität und den Plünderungen in den verwaisten Stadtgebieten nicht Herr werden könne. Polizeichef Warren Riley soll bereits im März um die Hilfe der Nationalgarde gebeten haben. Auch Riley versicherte am Montag, die Soldaten würden kaum zu sehen sein und vor allem nicht im Vergnügungsviertel French Quarter patrouillieren.

Derzeit sind in New Orleans rund 1.375 Polizisten im Einsatz. Vor dem Hurrikan waren es etwa 1.750. Von den einst 465.000 Bewohnern der Stadt leben inzwischen nur noch knapp die Hälfte wieder in der Stadt.

Am Samstag waren fünf Jugendliche im Alter von 16 bis 19 Jahren bei einer Autofahrt erschossen worden, ausserdem wurde ein Mann bei einem Streit um Bier erstochen. Insgesamt wurden in diesem Jahr bereits 53 Morde in New Orleans begangen. Die Gouverneurin forderte den Bürgermeister auf, das bestehende Ausgehverbot für Jugendliche besser durchzusetzen. Riley sagte dagegen, das Verbot könne kaum durchgesetzt geschweige denn geahndet werden, weil es keinen Platz gebe, um die jungen Missetäter unterbringen.

Die zurückgekehrten Bewohner der schwer beschädigten Stadtteile wie Lakeview und Ost-New Orleans, wo Plünderungen an der Tagesordnung sind, hatten den Bürgermeister bereits seit Monaten um mehr Schutz gebeten. Auch in den lokalen Medien ist die Forderungen seit langem ein Dauerthema. RückkehrerInnen beschwerten sich, dass ein Neubau ihrer Häuser kaum möglich sei, da neues Baumaterial, kaum dass es in den menschenleeren Vierteln angeliefert werde, auch schon geklaut sei.ADRIENNE WOLTERSDORF