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: Der doppelzüngige ETA-Gründer

Ausgerechnet der ETA-Gründer, der sich zuletzt am lautesten gegen die Gewalt der baskischen Separatisten aussprach, ist gestern in Frankreich festgenommen worden. Dem 73-jährigen Julen Madariaga und elf weiteren Verhafteten wird vorgeworfen, für ETA „Revolutionssteuern“ einzutreiben. 700.000 Euro, vermutlich aus dieser Schutzgelderpressung, wurden beschlagnahmt, über 50 Konten gesperrt.

Keiner hat so viele Stationen im linksnationalistischen Lager durchlaufen wie der 1932 bei Bilbao als Sohn eines Architekten geborene Madariaga. Früh lernte er, was es heißt, Verlierer zu sein. Seine Familie stand auf Seiten der baskischen Nationalisten und gehörte zu den Unterlegenen im Bürgerkrieg gegen die Putschisten von General Francisco Franco.

Mit 20 Jahren schloss sich Madariaga EKIN an. Die Gruppe, aus der 1958 ETA hervorging, bestand aus Studenten, die mit dem zaghaften Widerstand der baskischen Exilregierung gegen die Franco-Diktatur unzufrieden waren. Madariagas Triebfeder war die Verteidigung der unterdrückten baskischen Kultur und Sprache. Vorbild der jungen Männer waren die antikolonialen Bewegungen in Kuba und Algerien. Auf der ersten ETA-Versammlung wurde Madariaga ins Exekutivkomitee gewählt und war fortan für „Aktionen“ zuständig.

Bald schon musste er ins Exil, zunächst im französischen Baskenland. Algerien und Chile folgten. Anfang der 80er ging Madariaga erneut nach Frankreich. Er wurde Staatsbürger des Landes, in dem er zweimal heiratete und seine Kinder aufwuchsen. Das Exil machte den streitbaren Basken noch härter: Auf Vortragsreisen in Spanien rechtfertigte er den Mord an der ETA-Aussteigerin Yoyes. Er gilt als einer der Ideologen, die in den 80ern das ETA-Programm mitprägten.

1988 wurde Madariaga in Frankreich verurteilt, weil sein Unternehmen Magnete für Bomben herstellte. Nach der Entlassung zog er 1991 nach Bilbao. Dort engagierte er sich in der ETA-treuen Herri Batasuna (HB). 1995 brach er mit HB, als diese den tödlichen ETA-Anschlag auf einen konservativen Gemeinderat nicht verurteilen wollte. „Die baskische Gesellschaft ist pluralistisch. ETA hat den Kontakt zur Bevölkerung verloren“, begründete er seinen Schritt weg von der Gewalt. Mit anderen HB-Aussteigern gründete er die „Aralar“.

Madariaga begrüßte im Interview die „permanente Waffenruhe“, die ETA kürzlich ausrief. Zugleich fragte er aber: „Wie wird ETA dem finanziellen Druck standhalten, ohne auf die Revolutionssteuer zurückzugreifen?“ Dass er damit – sofern sich die Ermittlungen bestätigen – auf seinen eigenen Job anspielte, hätte niemand vermutet. REINER WANDLER