LESERINNENBRIEFE
:

Keine „bad vibrations“

■ betr.: „Lernen muss Freude machen“, Leserinbrief, taz v. 21. 6. 10

Was ist das für eine Freude, die „gemusst“ wird? Und wie soll die Lehrkraft die Freude ins Kind, in die Jugendlichen hineinbringen? Ein positives Menschenbild würde betonen, dass lernbereiten jungen Menschen Lernangebote gemacht werden – unter den vorhandenen Bedingungen. Dazu gehören Lehrpläne, Prüfungen, Noten, Klassenarbeiten, Erwartungen von Eltern und Arbeitgebern und natürliche kaputte Gebäude, volle Klassen und ganz viele junge Leute, die nicht lernen wollen – oder wegen schlimmerer Probleme nicht können.

Lernhelfer/innen müssen die „harten“ Sachen nicht machen, sie geben keine Noten, konfrontieren nicht ganze Familien mit arbeitsmarktfremden Verhaltensweisen und sind eher mit Übungsleitern im Fitnessstudio zu vergleichen als mit Menschen, die für Ordnung, Ergebnisse und Qualifikationen die Verantwortung tragen. Auch die Nachtsitzungen für die Klassenarbeiten entfallen. Da sieht der Beruf anders aus als für uns. Die Noten und Prüfungen machen sie nicht. Keine „bad vibrations“. Eher der „nice guy“ als der „bad guy“.

Ich will kein leicht verdientes Geld. Aber ich will auch keine dumme, pauschale Verachtung. Und ohne die Gewerkschaften haben die abhängig Beschäftigten nur die Selbstaufgabe, das „bitte bitte“ oder das endlose Praktikum. Wir werden mit unseren Gewerkschaften noch von uns hören lassen. Scheint dringend nötig.

GUIDO BLEY, Berufsschullehrer, Königswinter

Das Allerletzte?

■ betr.: „Streber und Sitzenbleiber“, taz vom 18. 6. 10

Anna Lehmann schreibt: „Auf der anderen Seite wächst jedes dritte Kind bei Eltern auf, die arm sind, keine Arbeit haben oder gerade mal einen Hauptschulabschluss.“ Ich bin sicher nicht der Einzige, der diesen Satz so versteht: Arm sein ist schlimm, keine Arbeit zu haben ist schlimmer, aber einen Hauptschulabschluss zu haben ist das Allerletzte. Ich (Jahrgang 1956) stamme aus einer Generation, in der der Hauptschulabschluss der Regelabschluss der Schullaufbahn war. Nebenbei bemerkt: Obwohl ich „nur“ einen Hauptschulabschluss habe, bin ich seit fast einem Viertel Jahrhundert erfolgreich als freier Programmierer tätig. Außerdem führe ich Lehrgänge für Programmierer durch, in denen ich auch studierte Informatiker weiterbilde. Daher so ganz zum Abschluss noch einen Satz auf dem Niveau der oben zitierten Textstellen: Deutschland braucht dringend Menschen mit Hauptschulabschluss, wer sollte sonst die Abiturienten weiterbilden? MATHIAS GRONAU, Essen

Friedensbemühungen abgeblockt

■ betr.: „Feiger Hass“, taz vom 22. 6. 10

Stephan Kramer unterschlägt, dass die Initiative für die Solidaritätsflotte zur Durchbrechung der israelischen Blockade von jüdischen Friedensaktivisten ausging und dass neben der „Mavi Marmara“ mit überwiegend türkischen Passagieren fünf weitere Schiffe mit Friedensaktivisten aus 30 Nationen unterwegs waren. Und nicht die Passagiere der „Mavi Marmara“ waren die Aggressoren, sondern die israelischen Soldaten, die das Schiff in internationalen Gewässern überfallen hatten. Wenn alles so abgelaufen wäre, wie von Herrn Kramer behauptet wird, weshalb hat die israelische Regierung dann die Ausrüstung der an Bord befindlichen Journalisten und deren Bildaufzeichnungen beschlagnahmt, eine neutrale internationale Untersuchung abgelehnt und die Befragung von Soldaten durch die eigene Untersuchungskommission, die wohl eher als Vertuschungskommission bezeichnet werden sollte, verboten?

Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden bezeichnet Israel-Kritiker wieder einmal als Antisemiten, ohne auf deren konkrete Kritikpunkte einzugehen. Auf diese Weise versucht er von den israelischen Vorgehensweisen abzulenken, aber auch alle Friedensbemühungen abzublocken. Aber Sicherheit und Frieden erreicht man nur durch einen ehrlichen Dialog. Die von der taz angestoßene Diskussion ist auf jeden Fall zu begrüßen. GUDRUN und SIEGFRIED ULLMANN, Alfter