Mehr als nur ein Schlüsseldienst

Unter den Schulhausmeistern gärt es – weil ihnen eine drastische Gehaltskürzung droht. Die EU will ihre Arbeitszeit auf 48 Stunden beschränken, die Stadt mit „intelligenter“ Technik rationalisieren

von Jan Zier

In K12 ist die Luft stickig. Und es riecht streng. Das ist der Kanal. Aber der ist nicht das Problem hier im Heizungskeller. Das Warmwasser ist ausgefallen. Und in der ganzen Schule an der Langen Reihe bleiben die Duschen kalt. Der Hausmeister muss ran.

Peter Gühler klettert die steile Treppe hinunter. Das linke Bein zieht er nach, eines alten Unfalles wegen. Er flucht. Eigentlich sollte es jetzt ruhiger werden, morgens um sieben. Wird es aber nicht. In einer Stunde ist Schulbeginn. Telefonisch ruft Gühler einen Kollegen herbei, auch er ein Hausmeister in Walle.

Seit sechs Uhr sind sie im Dienst. Und um 18 Uhr ist er nicht vorbei: Bereitschaftsdienst. Auch Vereins-SportlerInnen wollen noch warm duschen. Vor 22 Uhr geht Gühler hier nur freitags nach Hause. Macht 70 Stunden, Woche für Woche.

Genau das will die EU jetzt ändern. Denn was für Ärzte gilt, muss auch für Hausmeister gelten. Bereitschaftszeit ist Arbeitszeit, hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Und die Arbeitszeit darf 48 Stunden pro Woche nicht überschreiten, sagt die EU. Bisher sind es 50,5 Stunden, nach offizieller Lesart.

Also verschickte die GebäudeTechnikManagement (GTM), zuständig für alle 129 Bremer Schulhausmeister, Änderungskündigungen. Die Betroffenen indes erfuhren davon aus der Zeitung. Die Gewerkschaft reagierte „mit Empörung“. Bildungssenator Willi Lemke (SPD) „kann verstehen, dass die Hausmeister sauer sind“. Und Peter Gühler findet das „einfach nur scheiße“. Damit steht er nicht allein: Es gärt unter Bremens HausmeisterInnen. Entsetzen macht sich breit. Und Wut. Falko Spieker, den Geschäftsführer der GTM, haben sie gestern gar nicht erst eingeladen. „Besser ist das“, raunt einer der Hausmeister.

Gestern nämlich hielten sie im Schulzentrum Walle eine Vollversammlung ab – um Gegenmaßnahmen zu beraten. Denn weniger Arbeit, das heißt für sie vor allem: weniger Geld. 1.700 Euro verdient einer wie Peter Gühler mit seinen 50 Jahren, brutto. Obendrauf bekommt er nochmal 700 Euro Mehrarbeitspauschale für die Abendschichten, abzüglich Steuern. Genau diese Pauschale aber will die GTM nun komplett streichen. Macht bis zu 1.200 Euro brutto weniger – je nach Schule.

„Das haut ganz schön rein“, sagt Gühler. „Aber soll ich mit 50 noch was anderes machen?“ Der gelernte Gas- und Wasserinstallateur schüttelt mit dem Kopf. „Der Zug ist abgefahren“.

Streiken wollen die HausmeisterInnen nicht. Noch nicht. „Das ist doch unterste Schublade“, findet Gühler. „Die Schüler können doch nichts dafür.“ Also haben sie erst einmal Klage eingereicht. „Die Änderungskündigungen sind rechtswidrig“, gibt sich Onno Dannenberg, Tarifkoordinator der Gewerkschaft ver.di, siegesgewiss. Verhandlungen mit den kommunalen Arbeitgeberverbänden sollen eine Lösung bringen, bis 1. Januar 2007.

Bis dahin dreht Gühler weiter seine Runde durch die Schule, um jeden Morgen, jeden Abend, an jeder Türe den Schlüssel herumzudrehen. Doch auch das könnte bald ein Ende haben. Bei der GTM denken sie über „intelligente Schließsysteme“ nach. In Hamburg gibt es sie schon. „Vollelektronische Lichtanlagen“ sind im Gespräch, dazu „ferngesteuerte Heizungen“. Gühler lächelt schief. Vom „Chaos an den Schulen“ ist dann die Rede, davon, dass das schon in Hamburg gescheitert sei. LehrerInnen beklagen eine „grandiose Verunmenschlichung“ der Schulen. Und Helmut Zachau, Direktor der 1.700 SchülerInnen an der Langen Reihe, findet es einfach nur „absurd“. Schon jetzt gebe es 200 technische Gerätschaften im Haus – aber keinen, der sich darum kümmern könnte. Zachau versucht, das mal in „Lemkes Welt“ zu übersetzen: „Er stellt elf Mann aufs Feld. Aber nimmt ihnen den Ball weg.“

Peter Gühler steht seit neun Jahren auf diesem Feld. „Mit Leib und Seele“, wie er sagt. Und man glaubt ihm das auch, hört man ihn mit den SchülerInnen reden. „Man muss bekloppt sein, um den Job zu machen“, räsoniert er, die Hände über dem kleinen Bierbauch gefaltet. „Oder es ist Berufung.“ Aber auch die kennt Grenzen. „Wenn die Bildung die Leistung haben will, dann soll sie auch bezahlen. Ansonsten ...“ – Gühler fehlen die Worte. Er behilft sich mit einer kleinen Geste. Für einen kurzen Augenblick nur wird er etwas vulgär. Und der Mittelfinger schnellt hoch.