off-kino
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

„Crumb“: 22. 6.–25. 6., „Robotic Angel“: 22.–28. 6. im Nickelodeon

Während sich eine Filmreihe im Babylon Mitte zurzeit dem Fußball in Brasilien widmet, zeigt das Haus der Kulturen der Welt, was das südamerikanische Land kinematografisch sonst noch zu bieten hat. Einer der bekanntesten Regisseure Brasiliens ist Walter Salles, der in seinem Film „Central Station“ ein treffendes Bild für den Zustand der Gesellschaft seines Landes findet: Kaum dass ein Vorortzug im Hauptbahnhof von Rio de Janeiro angehalten hat, stürzen sich die jungen Männer durch die geöffneten Fenster, um Sitzplätze zu okkupieren. Die weniger agilen Fahrgäste haben das Nachsehen; hier ist sich jeder selbst der Nächste. Auch Dora, die sich auf dem Bahnhof als Briefschreiberin für Analphabeten betätigt, ist längst zur Zynikerin geworden: Sie wirft die meisten Briefe einfach weg. Das Roadmovie, das Dora schließlich mit dem 9-jährigen Josué zusammenschweißt, der seinen ihm unbekannten Vater sucht, hat wie so oft für die Protagonisten die Bedeutung einer Reise zu sich selbst: Während Josué seinen Platz in der Gesellschaft noch sucht und dabei von lieb gewonnenen Vorstellungen über den Vater Abschied nimmt, gewinnt Dora einige ihrer Illusionen zurück, die ihr vielleicht einen neuen Anfang ermöglichen. Das ist vor allem ein großes Schauspiel von Fernanda Montenegro, die dafür 1998 mit dem Goldenen Bären der Berlinale ausgezeichnet wurde.

„Verdacht“: 28. 6. im Lichtblick

Alfred Hitchcock hasste übersteigerte Gefühlsausbrüche. Die Angst vor Kontrollverlust spiegelt sich dabei in der Inszenierung seiner Filme ebenso wider wie in den Geschichten, die er erzählte. Hitchcocks Liebespaare schaffen es selten, sich auszusprechen, weil sie sich vor rückhaltloser Hingabe fürchten, und die Protagonisten seiner Melodramen leben in Beziehungen, in denen sich die Partner eigentlich fremd sind. Denn das Kennenlernen vollzieht sich meist in rasantem Tempo: In „Suspicion“ (Verdacht, 1941) sitzt Lina (Joan Fontaine), die etwas altjüngferliche Tochter eines wohlsituierten Generals, im Zug, als der Johnny Aysgarth (Cary Grant) wie ein Wirbelwind in ihr Abteil weht und ihr im Handumdrehen das Geld für eine Fahrkarte aus dem Kreuz leiert. Der kleine Moment hat genügt: Lina bekommt Johnny nicht mehr aus dem Kopf. Kurze Zeit später ist sie mit dem charmanten Schwindler verheiratet – und hat ob seiner Lügen und Heimlichkeiten bald allen Grund zu vermuten, er wolle sie aus dem Weg räumen, um ihre Lebensversicherung zu kassieren.

Eine Filmreihe zum Thema Comics im Film zeigt das Nickelodeon. Dabei geht es um Comic-Macher wie Robert Crumb oder um japanische Animes nach Manga-Vorlagen wie Rintaros „Robotic Angel“ (2000), einem retrofuturistischen Meisterwerk, das auf dem berühmten „Metropolis“-Comic des Manga-Großmeisters Osama Tezuka aus den späten 1940er-Jahren basiert und ein Kompendium von Zukunftsvisionen längst vergangener Epochen bietet: Da gibt es Wolkenkratzer mit Art-déco-Fassaden, Strahlenkanonen wie aus „Superman“-Comics und Roboter, die an mechanische Spielzeugfiguren der frühen 50er-Jahre erinnern. Lars Penning

„Central Station“ (Om engl. U): 26. 6. im Haus der Kulturen der Welt