Weniger Demokratie wagen

BUNDESTAG Union und SPD erwägen, die Bürger nur noch alle fünf statt wie bisher vier Jahre wählen zu lassen. Linke und Grüne sind skeptisch

BERLIN afp | In der großen Koalition wird eine Verlängerung der Legislaturperiode des Bundestags erwogen. Politiker von Union und SPD zeigten sich am Wochenende offen dafür, die Zeit zwischen den Wahlen von vier auf fünf Jahre zu verlängern.

„Wir würden uns einer Diskussion über die Verlängerung der Wahlperiode des Bundestags von vier auf fünf Jahre nicht verschließen“, sagte Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer. Mit einer Dauer von fünf Jahren würde „letztlich nur die Wahlperiode des Bundestags an die der deutschen Landtage und des Europäischen Parlaments“ angepasst. „Dieses Thema könnte eines von mehreren sein, mit dem sich die Rechtsstellungskommission des Bundestags in nächster Zeit beschäftigen kann“, sagte er.

Der SPD-Innenexperte Michael Hartmann sagte, es sei „nahezu überfällig, die Wahlperioden des Bundestags auf fünf Jahre zu verlängern“. So würden „gründlicheres und weniger vom Wahlkampf getriebenes Arbeiten“ möglich. „In Zeiten einer Großen Koalition muss ein solches Projekt jedoch gemeinschaftlich mit der Opposition vorangetrieben werden“, sagte Hartmann.

Lammerts Idee

Beide Politiker schlossen sich damit einem Vorstoß von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) an. Dieser hatte in den vergangenen Wochen mehrfach für eine „maßvolle Verlängerung der Legislaturperiode“ plädiert.

Grünen-Chef Cem Özdemir räumte ein, für die Verlängerung auf fünf Jahre spreche sicher ein Gleichziehen mit Landtagen und Europaparlament. Auf der anderen Seite sei es auch ein Verlust an Mitbestimmung durch die Bürger, „der durch ein Mehr an Demokratie an anderer Stelle kompensiert werden sollte“, sagte Özdemir der Welt. So gebe es nahezu in allen Bundesländern vereinfachte Regeln für die direkte Demokratie. Als „vertrauensbildende Maßnahme“ bezeichnete es Özdemir, wenn die Große Koalition die Rechte der Opposition stärken würde.

Linken-Fraktionsvize Jan Korte lehnte eine Grundgesetzänderung zum jetzigen Zeitpunkt ab: „Bevor über eine Verlängerung von Wahlperioden diskutiert wird, braucht dieses Land mehr direkte Demokratie, mehr Volksentscheide und mehr Partizipation auf allen Ebenen.“ Die parlamentarische Demokratie müsse wieder attraktiver gemacht werden, „so dass sich mehr Menschen einmischen“.

Die Dauer der Legislaturperiode für den Bundestag ist im Grundgesetz festgelegt. Eine Anhebung von vier auf fünf Jahre wäre nur über eine Verfassungsänderung möglich, für die eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich ist. In den Bundesländern wurden die Wahlperioden in den vergangenen Jahren mit Ausnahme Bremens nach und nach auf fünf Jahre verlängert.