: Nato übt weltweite Intervention
Sicherung von Energiequellen steht im Mittelpunkt der Nato-Diskussionen um schnelles Eingreifen in Afrika. Großmanöver auf den Kapverden übt unter anderem Verhalten bei Ressourcenkonflikten. Ende 2006 ist die Nato-Truppe NRF voll einsatzbereit
AUS BRÜSSEL FRANÇOIS MISSER
Ethnische Konflikte in einem afrikanischen Land, ein Krieg um die Kontrolle natürlicher Ressourcen zwischen vier Ländern in Afrika – dies sind die Szenarien, die dem bisher größten Manöver der im Aufbau befindlichen „schnellen Eingreiftruppe“ der Nato zugrunde liegen. Rund 7.000 Soldaten der Land-, See- und Luftstreitkräfte sind an der Übung „Steadfast Jaguar“ beteiligt, die am 1. Juni für eine Dauer von sechs Wochen auf den Kapverden im Atlantischen Ozean begann. Heute und morgen können Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer, die Botschafter der 26 Nato-Mitgliedstaaten, Repräsentanten Westafrikas sowie Russlands und auch Vertreter von Hilfsorganisationen das Manöver auf der Inselgruppe vor Westafrikas Küste beobachten.
Ziel des Manövers, erklärten am Dienstag Nato-Militärs in Brüssel, ist das Austesten der „Nato Response Force“ (NRF), eine 2002 in Prag ins Leben gerufene Struktur zum Zusammenwirken der modernsten Einheiten aller Nato-Länder zum schnellen Eingreifen außerhalb des Nato-Bereichs, die bei Erreichen ihrer vollen Einsatzfähigkeit gegen Ende 2006 25.000 Mann umfassen soll. Deutschland beteiligt sich gegenwärtig mit rund 2.400 Soldaten aller Waffengattungen daran, und deutsche Soldaten sind auch auf den Kapverden dabei. NRF-Truppen sollen innerhalb von 5 bis 30 Tagen stationiert werden können und, wie die Nato-Militärs erläutern, in „harscher“ Umgebung Missionen „hoher Intensität“ durchführen – also Kampfeinsätze. Politisches Ziel, heißt es, sei die Eindämmung einer Krise in einem afrikanischen Land, damit sie sich nicht regional ausweitet.
Es geht aber auch um mehr. Wie die Militärs bestätigen, hat innerhalb der Nato eine Debatte um die Sicherung von Energiequellen begonnen, einschließlich Öl- und Gaspipelines. Eine internationale Konferenz dazu unter Beteiligung des Nato-Generalsekretärs ist für September in London geplant.
Die Kapverden, auf denen die Nato jetzt übt, liegen weniger als 500 Kilometer vor der Küste Westafrikas, das als Ölfördergebiet vor allem für die USA immer wichtiger wird. Die unruhigen Ölgebiete Nigerias sind von den Kapverden weniger als zwei Flugstunden entfernt. Dort hilft das US-Militär bereits der Marine Nigerias mit Ausrüstung und Training im Kampf gegen Rebellen. Auch Europa interessiert sich zunehmend für die Energiereserven der Region: Am Montag erklärte der Präsident der Europäischen Investitionsbank EIB, Philippe Maystadt, die Bank werde sich an einem auf acht Milliarden US-Dollar geplanten Investitionsprojekt der Konzerne Shell, Chevron und British Gas zum Bau eines Flüssiggasterminals in Olokola in Nigeria beteiligen – das größte private Investitionsprojekt in Afrika.
Nato-Generalsekretär de Hoop Scheffer wird außerdem bei seinem Manöverbesuch auf den Kapverden mit dem dortigen Staatspräsidenten Pedro Rodrigues Pires die Verfügbarkeit kapverdischer Häfen und Flughäfen für die Nato prüfen; selbst ein Nato-Beitritt des afrikanischen Inselstaates ist zuweilen im Gespräch. Zusammen mit Mauretanien und Senegal gehören die Kapverden außerdem zum Gebiet der geplanten EU-Marineoperation zur Überwachung der westafrikanischen Seegebiete, um illegale Migranten abzufangen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen