Vage Versprechen

AUS WIEN RALF LEONHARD

Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel blieb es erspart, das heikle Thema Guantánamo anzusprechen, denn George W. Bush ergriff gestern beim EU-USA-Gipfel in Wien selbst die Initiative. „Ich möchte Guantánamo schließen“, verkündete er auf der abschließenden Pressekonferenz.

Vor kurzem hatte der US-Präsident zur Zukunft des Gefangenenlagers dagegen noch festgestellt: „Ich würde ja, aber …“ Jetzt sprach er von Repatriierung der Gefangenen bzw. deren Aburteilung vor ordentlichen Gerichten. Allerdings vermied Bush jede Festlegung eines Zeithorizonts und wurde von den europäischen Partnern auch nicht dazu gedrängt.

Vage blieben Bush und Gastgeber Schüssel auch hinsichtlich der noch heikleren Frage der CIA-Überflüge. Österreich sei ja „Gott sei Dank nicht betroffen“, hatte der Kanzler am Vortag erklärt, obwohl der Grünen-Abgeordnete Peter Pilz die Registernummern aller über dem Luftraum gesichteten und zum Teil sogar auf österreichischen Flughäfen gelandeten CIA-Maschinen vorgelegt hatte.

Bush rechtfertigte das Vorgehen der Geheimdienste, etwa Kidnapping von Verdächtigen in europäischen Ländern, nicht ganz unerwartet mit dem 11. September. Und Schüssel nützte die Frage zu einem Exkurs über die exzellenten Beziehungen zwischen Europa und den USA seit dem Marshall-Plan in der Nachkriegszeit, um dann nachzusetzen, es könne keinen Sieg über den Terrorismus geben, wenn die Werte dabei aufgegeben würden.

Volle Übereinstimmung demonstrierten beide Seiten im Hinblick auf das Vorgehen gegenüber Nordkorea und Iran. Kim Jong Il wurde in einer gemeinsamen Erklärung aufgefordert, auf die angedrohten Tests von Langstreckenraketen zu verzichten. Und dem Iran signalisiert man, er müsse nachweisbar die Anreicherung von Uran aussetzen. Eine verbindliche Erklärung Teherans erwartet man vor dem Stichtag 22. August.

Einer der wichtigsten Punkte des kurzen Gipfeltreffens, an dem neben Bush und EU-Ratspräsident Schüssel auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Außenpolitikbeauftragter Javier Solana teilnahmen, war die gemeinsame Energiestrategie. Es solle Stabilität für Produzenten, Konsumenten und Transitländer gleichermaßen hergestellt werden. Gleichzeitig wolle man die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten durch Diversifizierung der Quellen und mehr Investitionen in alternative Energien verringern. Auch der Klimaschutz, der in den USA dank zunehmender Umweltkatastrophen vor allem von den Gouverneuren besonders betroffener Bundesstaaten auf die Agenda gerückt wurde, nimmt einen prominenten Platz in der Schlusserklärung ein. Zu beiden Themen werden Arbeitsgruppen eingesetzt, die die strategische Zusammenarbeit konkretisieren sollen.

Darüber hinaus gab es ein Bekenntnis zum Freihandel als wichtigstes Instrument der Armutsbekämpfung, zum Kampf gegen die Produktpiraterie in Drittländern und zum Überdenken protektionistischer Maßnahmen, die beide Partner vor allem beim jeweils anderen kritisieren. Keine Einigung gab es offenbar über den Wunsch der EU, dass auch Angehörige der neuen Mitgliedsländer vom Visazwang für die USA befreit werden.

Während der Präsident in der Hofburg hohe Politik machte, genoss First Lady Laura Bush eine Privatführung durch die Grafiksammlung Albertina und einen Besuch im hermetisch abgeriegelten Stephansdom. Mehrere Demonstrationszüge durften sich der von Sicherheitsleuten besetzten Innenstadt nicht annähern. Dass der Besuch in Wien nur mäßig willkommen war, äußerten Passanten wie Touristen, die sich von schikanösen Überprüfungen belästigt fühlten. Laut einer jüngsten Umfrage halten in Österreich 64 Prozent die Politik von Bush für schlecht.