AKP sucht Ausgleich mit Fethullah Gülen

TÜRKEI Während Regierungschef Erdogan hart bleibt und Drohreden gegen seine Gegner hält, schlägt Außenminister Davutoglu versöhnlichere Töne an. 600 Polizisten wurden entlassen oder versetzt

ISTANBUL taz | Mit widersprüchlichen Signalen reagiert die türkische AK-Partei derzeit auf die Korruptionskrise, die die Regierung seit zwei Wochen erschüttert. Während Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nach wie vor die Flucht nach vorn sucht und mit Drohreden gegen vermeintliche oder tatsächliche Gegner täglich Auftritte absolviert, wandte sich sein Außenminister Ahmet Davutoglu jetzt erstmals direkt an die Gülen-Bewegung und forderte die Vertreter des greisen Predigers Fethullah Gülen zum Gespräch auf.

Seit dem 17. Dezember wurde die Regierung Erdogans durch mehrere Ermittlungsverfahren wegen Korruption in eine schwere Krise gestürzt. Erdogan hat in den letzten Tagen als Reaktion auf diese Ermittlungsverfahren dafür gesorgt, dass mindestens 600 Polizisten strafversetzt oder entlassen werden. Erdogan, wie nahezu alle politischen Beobachter in der Türkei, geht davon aus, dass die ermittelnden Staatsanwälte und die wichtigsten Polizeioffiziere, die an den Ermittlungen beteiligt sind, Mitglieder oder Sympathisanten der islamischen Gülen-Bewegung sind, mit der die AKP sich in einem heftigen Streit befindet. Doch die Korruptionsvorwürfe sind so substanziell, dass Erdogan und seine Minister sie kaum glaubhaft bestreiten können.

Schon vor einigen Tagen veröffentlichte ein Berater von Erdogan auf Facebook einen Beitrag, in dem er davon sprach, bei dem Streit zwischen Regierung und Gülen-Gemeinde könnten beide Seiten nur verlieren. Davutoglu hat dies jetzt aufgegriffen und die „Freunde“ der Gülen-Bewegung zum Dialog aufgefordert. Auslöser für den Konflikt sind neben Verteilungsfragen auch politische Meinungsverschiedenheiten, darunter der Umgang mit Israel und den islamistischen Gruppen in Syrien.

Weil Gülen, der seine Bewegung von den USA aus steuert, stärker auf der Linie Washingtons liegt, kritisiert er schon seit längerer Zeit Erdogans Zerwürfnis mit Israel und lehnt auch die Unterstützung al-Qaida-naher Gruppen in Syrien ab, die die CIA Erdogan und dem türkischen Geheimdienst MIT vorwirft.

JÜRGEN GOTTSCHLICH