Arbeit vernichtet, was sie versprach

MANGELWARE Der Schriftsteller Robert Menasse ruft die „Permanente Revolution der Begriffe“ aus

Es ist nur ein schmales Büchlein, das jedoch Gewicht hat wie selten ein Buch, das sich mit Begriffen auseinandersetzt, die in der öffentlichen Debatte ausgehöhlt und banalisiert wurden. In acht Vorträgen beschäftigt sich Robert Menasse in „Permanente Revolution der Begriffe“ unter anderem mit Arbeit.

Sie taucht in der Gesellschaft zum einen als Mangel auf, als Faktor, der im internationalen Wettbewerb der Konzerne hinderlich ist, gleichzeitig wird Arbeit als höchstes aller Güter bewertet: Diejenigen können sich glücklich schätzen, die Arbeit haben. Was in der gesellschaftlichen Diskussion durcheinandergeht, versucht Menasse auf kluge Weise ideologiegeschichtlich zu entschlüsseln. Die Frühsozialisten hatten die Vision, dass Arbeit nicht nur Fron sei, sondern ein Glücksversprechen enthalte. Charles Fourier wollte sogar dem rastlosen Spieltrieb der Kinder gesellschaftlichen Nutzen abgewinnen und ihre Aktivitäten in Produktivität transformieren. Herausgekommen ist die Kinderarbeit. Marx’ Idee von der nichtentfremdeten Arbeit, die – „gesetzt, wir hätten als Menschen produziert“ – frei mache, wurde von völkischen Ideologen übernommen und endete schließlich als Inschrift über dem Tor von Auschwitz.

Die selbstbestimmte Arbeit, die ein Rudolf Höß für sich ganz selbstverständlich reklamierte, bestand darin, andere Menschen möglichst effizient zu töten. Darin fand Höß seine Erfüllung, es ging ihm darum, seine Arbeit gut und gründlich zu tun, und zwar mit Liebe und Hingabe. Im Prinzip hat sich an diesem Arbeitsbegriff auch heute nichts geändert, was letztlich damit zu tun hat, dass „die Mehrheit der Menschen auch und erst recht heute bedingungslos bereit ist, sich den Zwängen und Anforderungen eines Systems zu unterwerfen, um eine Freiheit zu erlangen, die dann selbst auch wieder nur ein ideologisches Produkt dieses Systems darstellt“. Arbeit, egal unter welchen Bedingungen, ist das Verhängnis, denn die wichtigen Dinge für die Menschheit wie Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit werden durch sie nicht befördert, sondern zerstört.

Menasse lässt kein Schlupfloch für die Annahme, sich durch Arbeit selbst verwirklichen zu können, jedenfalls nicht, solange sich an den gesellschaftlichen Voraussetzung nicht grundlegend etwas geändert hat. Solange kann es höchstens darum gehen, gegen den weit verbreiteten Irrtum anzuschreiben, Arbeit könne selbstbestimmt sein, denn: „Was immer durch Arbeit produziert wird, sie vernichtet, was sie versprach.“ KLAUS BITTERMANN

Robert Menasse: „Permanente Revolution der Begriffe“. suhrkamp, Frankfurt 2009, 124 S., 9 Euro