WAS MACHT EIGENTLICH ... Doretta, die „Kanzlergans“?
: Immer weiter leben

Wir alle kennen sie: lebendige Überbleibsel vergangener Epochen oder Dynastien, die sich weigern, mit diesen unterzugehen, und weiterhin beredtes Zeugnis ablegen: die Besucherschlange vor dem Lenin-Mausoleum etwa, der Freistaat Bayern oder die englische Fußballnationalmannschaft. Auch „Doretta“, das Maskottchen des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder, wird uns noch lange begleiten.

Gestern meldete der Zehlendorfer Verein „Leben mit Tieren“, die „Kanzlergans“ sei in ein Seniorenheim umgezogen. Nicht in eine Gänse-Geriatrie, nein, in ein Heim für ältere Mitbürger, das Tiere für therapeutische Maßnahmen einsetzt – neben „Doretta“ wohnen hier auch ein Esel und eine Ziege.

Aber erinnern wir uns: Im Jahr 2000 – Schröder (SPD) war damals gerade zwei Jahre im Amt – sollte die Gans aus einer Prignitzer Ökozucht auf der Weihnachtstafel des Regierungschefs landen. Schön kross, versteht sich. Das wurde, zum Wohle des Tieres und der Boulevardpresse, von Schröders Adoptivtochter verhindert. Der Jungvogel, in Wahrheit ein Ganter, durfte weiterleben, Schröder wurde später abgewählt.

Aber die Pointe der „Doretta“-Saga: Die Hausgans (anser anser f. domestica) wird steinalt – 20, bei guter Pflege auch 30 Jahre sind locker drin. Mit ein wenig Glück begleitet uns das prominente Stück Federvieh selbst dann noch, wenn Schröders politische Kapriolen („Politik der ruhigen Hand“, „Agenda 2010“) höchstens noch Fußnoten in den Geschichtsbüchern sind. Wir wünschen „Doretta“ ein langes Leben. CLP
FOTO: AP