Das Talent, das aus der Tiefe kam

Hakan Yakin sprang in letzter Sekunde auf den Schweizer WM-Zug. Heute gegen Südkorea hofft er auf seinen Einsatz

HANNOVER taz ■ Nur ein Mann ist im Hannoveraner WM-Quartier mit dem an diesem Tag so passenden Namen „Schweizerhof“ gefragter als Hakan Yakin. Stürmer Alexander Frei, der gegen Togo das 1:0 erzielt hat, ist der unumstrittene Star der Schweizer Nationalmannschaft, die einen Tag vor dem Finale in der Gruppe G aus Bad Bertrich angereist ist.

Mindestens 30 Journalisten stehen um den Tisch herum, an den sich Frei gesetzt hat, um Auskunft zu geben. Platz wäre eigentlich nur für zehn Neugierige gewesen. Als klar wird, dass der Schweizer Torschütze nicht viel wird sagen können über die Art und Weise, wie seine Mannschaft gegen Südkorea (21 Uhr, Premiere) spielen wird, weil Trainer Köbi Kuhn sich noch nicht geäußert hat, ziehen etliche Reporter weiter zum Tisch, an dem Hakan Yakin sitzt. Sie wollen die Geschichte schreiben vom großen Comeback des so tief gefallenen Stars von einst.

Yakin ist gegen Togo nach der Pause von Köbi Kuhn eingewechselt worden. Er hat seine Sache gut gemacht. Jetzt hofft er auf einen weiteren Einsatz gegen Südkorea – „mindestens eine Halbzeit lang“. Yakin spricht leise. Er scheint unbedingt den Eindruck verhindern zu wollen, er fordere seinen Einsatz. Er hat die Rolle als Ergänzungsspieler akzeptiert, ist dankbar, dass er noch einmal mitmachen kann bei einem großen Auftritt der Schweizer Nationalmannschaft.

Damit war nach dem 15. Mai nicht mehr zu rechnen. An diesem Tag gab Köbi Kuhn sein WM-Aufgebot bekannt. Der 29-jährige Yakin, über Jahre das ewige Supertalent des Schweizer Fußballs, wurde nicht berücksichtigt. „Das war Enttäuschung und Erleichterung in einem“, erinnert sich der Techniker, hinter dem eine wahre Transferodyssee durch halb Europa liegt. Yakin ist letztlich immer dann gescheitert, wenn Beobachter mit seinem großen Durchbruch gerechnet haben.

Der Mann, der einst Dreh- und Angelpunkt des Schweizer Auswahlteams war, spielte in der abgelaufenen Saison bei den Young Boys Bern. Dort habe er sich gerade in den letzten Spielen wahrscheinlich ein wenig zu sehr unter Druck gesetzt. Er wollte unbedingt zur Weltmeisterschaft nach Deutschland. Deswegen sei er nicht nur enttäuscht gewesen, als Kuhns Entscheidung gegen ihn gefallen ist, er habe sich auch wieder frei gefühlt. Und doch zögerte er keinen Moment, als ihn Kuhn fragte, ob er bereit sei, sich als eventueller Nachrücker fit zu halten.

Die Mühe hat sich gelohnt. Johann Vonlanthen, der hoch gelobte Nachwuchsstar, verletzte sich in der Vorbereitung und Hakan Yakin durfte doch noch zur WM. „Ich weiß, was ich der Mannschaft geben kann“, sagt er. Seine Aufgabe gegen Togo sollte es sein, als Stürmer neben Frei die Bälle, die in die Spitze gespielt wurden, zu halten. Nachdem ihm das recht gut gelungen ist, er sogar an der Entstehung des 2:0 beteiligt war, macht er sich nun Hoffnung auf die Position neben dem Topstürmer. Das ist wahrscheinlich der einzige Platz in der Mannschaft Kuhns, der noch zu vergeben ist. Denn sonst hat der Trainer seine Stammformation gefunden.

Für die Stelle des zweiten Manns im Sturm gibt es neben Yakin noch zwei weitere Bewerber. Es sind dies Daniel Gygax und Marco Streller vom VfB Stuttgart. Vor allem Streller gab sich gestern sehr selbstbewusst. Er glaubt an seine Chance. Warum? „Kuhn hat bis jetzt auch immer alles richtig gemacht“, sagt er. Auch rechnet der 25-Jährige damit, dass sich der Trainer für eine junge hungrige Mannschaft entscheiden wird, eine, die gar nicht auf Unentschieden spielen kann. Ein Remis nämlich würde der Schweiz reichen, um ins Achtelfinale aufzusteigen.

Vor den Anfeuerungsrufen der südkoreanischen Fans hat er übrigens keinen Respekt. „Die Roten werden ihr blaues Wunder erleben“, ist er sich sicher – ob mit ihm oder Yakin.

ANDREAS RÜTTENAUER