„Dodik droht nicht ernsthaft“

Christian Schwarz-Schilling, Hoher Repräsentant in Bosnien und Herzegowina, ist sicher, dass der Premier der Republika Srpska die Ablösung von Bosnien nicht durchsetzen kann

taz: Herr Schwarz-Schilling, Sie sind jetzt weit mehr als 100 Tage im Amt, die Schonfrist ist also vorbei. Und die Bilanz stimmt nicht optimistisch. So ist die für das Land wichtige Verfassungsreform im Parlament gescheitert, die Polizeireform kommt nicht voran und serbische Nationalisten drohen mit einer Volksabstimmung über die Abtrennung des serbisch kontrollierten Teils von Bosnien und Herzegowina (BiH). Da müssen doch die Alarmglocken läuten.

Christian Schwarz-Schilling: Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass Verfassungs- und Polizeireform schon jetzt durchgesetzt werden. Aber ich habe nicht erwartet, dass alles gleich glatt läuft. Das ist in diesem komplizierten Land auch nicht so einfach möglich. Die Leute müssen sich zudem daran gewöhnen, dass meine Strategie, nämlich dem Land mehr Eigenverantwortung zu geben, ernst gemeint ist. Die Politiker merken, dass dieser Schwarz-Schilling nicht da ist, um ihren Job zu machen. Sie müssen über ihr Schicksal selbst entscheiden. Mein Job ist vor allem der eines Ratgebers.

Reicht das aus? Die Mäuse beginnen doch auf Ihrer Nase zu tanzen, seit Sie gesagt haben, Sie wollten auf die Anwendung der „Bonn Powers“ verzichten. Mit denen könnten Sie Politiker absetzen, die das Dayton-Abkommen verletzen. Wie wollen Sie gegen den Premier der Republika Srpska, Milorad Dodik, vorgehen, wenn er wirklich ein Referendum über die Loslösung der Teilrepublik organisiert?

Man soll Dodiks Drohung nicht dramatisieren. Eine Volksabstimmung kann er nicht durchsetzen, die internationale Gemeinschaft hat einstimmig ein solches Unterfangen zurückgewiesen. Daran gibt es nichts zu deuteln. Montenegro hatte das Recht auf Abspaltung, es war ja in der Verfassung des alten Jugoslawiens garantiert. Die Republika Srpska dagegen ist das Resultat des Krieges, die jetzige Verfasstheit von BiH wird durch die Signitarmächte des Abkommens von Dayton garantiert. Nur sie könnten den Status der serbischen Teilrepublik verändern. Dafür gibt es keine Aussicht. Dodik befindet sich im Wahlkampf. Er will sich wohl als nationaler Kämpfer profilieren. Seine Drohung scheint nicht ernsthaft zu sein.

Spielen Sie die Gefahren nicht herunter? In Serbien gibt es nach dem Verlust Montenegros und dem möglichen Verlust Kosovos eine nationale Frustration. Seit Jahren fordern serbische Politiker aller Couleur die Lostrennung der Republika Srpska von BiH und ihre Vereinigung mit Serbien, falls Kosovo verloren geht.

Sicher gibt es in Serbien Politiker, die das Problem Kosovo und die Zukunft des serbischen Teilstaats in BiH miteinander verbinden wollen. Diese Leute wollen offenbar damit auf die Statusverhandlungen Kosovos Einfluss nehmen. Aber Politiker wie Präsident Boris Tadić und Außenminister Vuk Drasković sehen sehr genau, dass als Folge einer solchen Politik dann andere Landesteile Serbiens sich ihrerseits von Serbien trennen könnten. Die ganze Diskussion ist also nicht wirklich im Interesse der Serben, schon gar nicht von Serben in BiH.

Was werden Sie tun, wenn doch eine Volksabstimmung in der Republica Srpska organisiert würde?

Die wäre illegal. Das würde Reaktionen auch von mir hervorrufen, von der internationalen Gemeinschaft insgesamt.

Also doch, an welche Reaktionen denken Sie?

Das werde ich jetzt hier nicht verkünden. Sie können aber sicher sein, dass dann mit aller Energie gehandelt wird. Im Übrigen ist die EU bis auf die Polizeireform mit den Fortschritten im Lande gar nicht unzufrieden. Die Gespräche über ein Assoziierungsabkommen mit der EU kommen ganz gut voran. Das hat mir Herr Solana kürzlich bestätigt.

INTERVIEW: ERICH RATHFELDER