Gewinn kostet Jobs

Von HERMANNUS PFEIFFER

Der größte deutsche Versicherungskonzern Allianz streicht fast 7.500 Stellen und schließt 11 der bisher 21 Standorte. Allianz-Boss Michael Diekmann erhofft sich jährliche Kosteneinsparungen von mindestens 750 Millionen Euro. Trotz Rekordgewinnen sei der Stellenabbau notwendig, „um die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu sichern“. Die Gewerkschaft Ver.di reagierte auf die seit längerem erwartete Ankündigung mit Betriebsversammlungen im ganzen Bundesgebiet und mit der Androhung von Streiks.

Den Stellenabbau will Diekmann bis Ende 2008 umgesetzt haben, wie das Unternehmen in München bekannt gab. Rund 5.000 von 30.000 Arbeitsplätzen in Deutschland sollen bei der Allianz selber wegfallen, weitere 2.480 beim Tochterunternehmen Dresdner Bank, darunter auch 500 Jobs in ausländischen Niederlassungen. Betroffen sind vor allem Frankfurt und Köln, wo fast alle Jobs verschwinden. Den erhofften jährlichen Kosteneinsparungen bei Allianz und Dresdner zwischen 750 und 850 Millionen Euro stehen zunächst höhere Umbaukosten von bis zu 900 Millionen Euro gegenüber.

„Das sind schmerzliche, aber notwendige Schritte“, beklagen Diekmann und sein Adjutant Gerhard Rupprecht, Vorstandsvorsitzender der Allianz Deutschland AG (Adag), unter deren Dach das Versicherungsgeschäft in Deutschland bis 2008 neu organisiert werden soll. Die Allianz bereitet seit Monaten eine radikale Straffung ihres national und international weit verästelten Imperiums vor. Selbstständige Traditionsunternehmen wie die Frankfurter Allianz oder die Bayerische Versicherungsbank werden trotz guter Gewinne mit der Adag verschmolzen. Es gehe um die „nachhaltige“ Wettbewerbsfähigkeit, nachdem die Allianz zuletzt Marktanteile verloren habe. So ist mit dem Personalabbau auch eine Straffung der internen Organisation verbunden, Policen werden standardisiert und Verwaltungsstandorte dicht gemacht. Die Dresdner Bank will den Beratungseinsatz forcieren. Ihre Filialbeschäftigten sollen mehr Girokonten, Allianz-Policen und Hedgefonds verkaufen.

Auf Kritik in der Öffentlichkeit stößt das rigide Sparprogramm von Europas Sicherheitsverkäufer Nummer eins angesichts üppiger schwarzer Zahlen. 2005 wurde ein Rekordgewinn von 4,5 Milliarden Euro einkassiert. Wirtschaftswissenschaftler und Allianz-Aufsichtsrat Rudolf Hickel hält daher das strenge Sparkonzept für „skandalös“ und die schmale Bündelung des Konzern für betriebswirtschaftlich problematisch. Verbraucherschützer warnen vor dem Machtzuwachs des Vertriebs. Übertriebene Umsatzvorgaben für die Beschäftigten könnten zu Lasten der Beratungsqualität und der Verbraucher gehen.

Allianz-Boss Diekmann verweist auf seine Vereinbarung mit dem Betriebsrat, die betriebsbedingte Kündigungen 2006 und 2007 ausschließt. Später werde auf Kündigungen nur verzichtet, wenn bestimmte Wachstumsziele erreicht werden. Allerdings setzt diese Regelung im Kern lediglich den kürzlich abgeschlossenen bundesweiten Tarifvertrag um. Verdi reagierte mit diesem Schutztarif auf die „Industrialisierung im Finanzsektor“, die ganze Versicherungsbranche bemüht sich nämlich um radikale Rationalisierungen, Kosteneinsparungen und Stellenabbau.

Die Gewerkschaft Ver.di bereitet erste Warnstreiks vor. „Die Beschäftigten haben angesichts des Rekordgewinns der Allianz kein Verständnis für den Umgang des Konzerns mit den Beschäftigten“, versichert Verdi-Vorstand Uwe Foullong. Wenn die Allianz nicht kurzfristig zu ernsthaften Verhandlungen über Kündigungsschutz und Standortsicherung bereit sei, würde sich der Unmut nicht allein in Demonstrationen äußern. „Streiks sind dann nicht mehr auszuschließen“, droht Foullong.