Schlachtfeld Liebe

THEATER Elina Finkel inszeniert in Bremerhaven „Gefährliche Liebschaften“ als virtuoses Kammerspiel

„Gefährliche Liebschaften“ erfreut sich auch über 200 Jahre nach seiner Veröffentlichung ungebrochener Beliebtheit. Immer wieder wurde der Briefroman von Choderlos de Laclos verfilmt, zwei Opernfassungen entstanden, Heiner Müller adaptierte den Stoff für sein „Quartett“. Und Christopher Hamptons 1985 uraufgeführte Bühnenfassung ist regelmäßig auf internationalen Bühnen zu sehen.

Elina Finkel, die in Bremerhaven unter anderem schon Tschechows „Möwe“ auf die Bühne gebracht hat, erzählt die Geschichte gewissermaßen als Theater im Theater: Die Hauptfiguren, ein Vicomte und eine Marquise, sind es, die die übrigen Beteiligten während des gut zweistündigen Abends auf der Bühne herumscheuchen und das Geschehen mit zwei Scheinwerfern ausleuchten. Mit denen rücken sie auch sich selbst immer wieder gern ins rechte Licht. Die Marquise de Merteuil und der Vicomte de Valmont sind offenbar ausschließlich damit beschäftigt, zum eigenen Zeitvertreib und Lustgewinn zu verführen, zu intrigieren, zu betrügen, zu zerstören.

Dabei scheint es beiden nur um den jeweils anderen zu gehen, zumindest scheinen sie sich in heftiger Hassliebe zugetan. Andreas Möckel als Vicomte und Sascha Maria Icks als Marquise haben dabei viel Gelegenheit, ihre Schauspielkunst vorzuführen – und nutzen sie glanzvoll. Icks als durchtriebene Femme Fatale, Möckel als eitler, allerdings nicht minder berechnender Pfau im Pelz. Zwischen ihnen entfaltet sich ein erbittertes Duell zwischen Mann und Frau in einem Salon-Ambiente, in dessen Mitte ein Berg Bonbons verheißungsvoll glitzert.

Die übrigen Figuren sind verdammt, mehr oder minder Staffage zu bleiben. Die tugendhafte Präsidentin de Tourvel (Franziska Schlaghecke) und die kindhafte Cécile de Volange (Amanda da Glória) sind die Opfer im Kampf der Intriganten, Schlaghecke spielt die Tourvel mit wenigen Worten als ausdrucksstarke Schmerzensfrau, da Glória ist eine adäquate Lolita, deren Mutter Isabel Zeumer die verhuschte ältere Dame mit viel Witz spielt.

Sebastian Zumpe schließlich spielt den in Cécile verliebten Chevalier de Danceny als gefährlich dummen Jüngling. Beide sind allerdings nur Material für die Auseinandersetzung, die hier deutlich auch als eine zwischen den Geschlechtern markiert ist. Die Marquise bringt es auf den Punkt: „Für euch Männer ist eine Niederlage nur ein Sieg weniger. In dieser so ungleichen Partie besteht unser Glück darin, nicht zu verlieren, und Euer Unglück, nicht zu gewinnen.“

Am Ende scheitern beide, der Vicomte stirbt im Duell, die Marquise ist körperlich, seelisch und gesellschaftlich ruiniert. Ruhe finden sie allerdings nicht: Finkel lässt sie gleichsam als Wiedergänger auferstehen. Es endet, wie es begonnen hat. Anscheinend können sie nicht anders.ANDREAS SCHNELL