ERWACHSENSEIN BEDEUTET, SICH NICHTS MEHR ZU SCHENKEN. ICH BIN NOCH KEIN „WIR SCHENKEN UNS NICHTS“
: Enttäuschung gegen Spaß

Foto: Lou Probsthayn

KATRIN SEDDIG

Weihnachten ist vorbei. Es hat sich gelohnt. Es ist eine Menge gekauft worden und die Verkäuferinnen bei Karstadt, Saturn und Media-Markt bearbeiten jetzt die Umtäusche. Umgetauscht wird am liebsten in Geld. Geld kann man immer brauchen und es eignet sich auch als Geschenk.

Geld ist nur da blöd, wo der Beschenkte davon genug hat. Geld ist auch da blöd, wo der Beschenkte Geld zurück schenkt. Oder unter Lebenspartnern. Im Grunde kann dann ja jeder seinen Schein behalten und man schenkt sich gar nichts. Das machen auch viele Lebenspartner, sie schenken sich gar nichts. „Wir haben ja alles. Wir schenken uns nichts.“ Ein „wir“ schenkt sich nichts, weil man sich nichts selbst schenkt. Man braucht dazu schon ein Gegenüber, eine andere Person.

Das heißt dann, man ist erwachsen. Erwachsensein bedeutet, sich nichts zu schenken, das habe ich als Kind irgendwann mitbekommen, dass Erwachsene oft und in einer überlegenen Geste das gegenseitige Schenken ablegen und sich sozusagen davon befreien. Als Kind befürchtete ich, irgendwann auch in das Alter zu kommen, wo ich nichts mehr geschenkt bekäme, aber bis jetzt kriege ich immer noch was, und vielleicht bleibt das sogar so. Ich will nämlich immer noch Geschenke. Ich bin noch kein „Wir schenken uns nichts“.

Im schönen alten Celle in Niedersachsen findet jedes Jahr am zweiten Weihnachtstag traditionell ein Umtauschmarkt statt. Da kann man sein unpassendes Weihnachtsgeschenk gegen ein unpassendes Weihnachtsgeschenk von jemand anderem eintauschen. Fünfundzwanzig Leute haben in diesem Jahr also fünfzig Geschenke getauscht. Das ist natürlich eine Option abseits des ins-volle-Warenhaus-Zurückbringens.

Das ist lustig und es funktioniert vielleicht nur deshalb nicht so ganz richtig, weil die Leute für ihr Geschenk ein gleichwertiges Geschenk tauschen wollen und das ist wie das Schenken: Es ist schwierig, es ist kompliziert. Es ist ein Balanceakt, wenn im Familien- und Freundeskreis geschenkt wird. Denn: Kriegt der Beschenkte ein Geschenk, das dem angemessen ist, was er mir zurück schenkt? Natürlich soll das keine Rolle spielen, aber es spielt eine Rolle.

Diesem Problem entgehen alle „Wir schenken uns nichts“-Erwachsenen. Beim Nichtsschenken kann nichts schiefgehen. Man kann sogar Argumente anbringen, das der Verweigerung des Komsumterrors und der Pflege der wirklich wahren Werte wie Liebe- und Zeit-Schenken, Freundschaft-und Verlässlichkeit-das-ganze-Jahr, Zum-Schenken-keinen-Anlass-Brauchen und so Zeugs.

Es schlug mir neulich jemand vor, meinem Teenagerkind Zeit zu schenken. Tja, lege mal einer dem Teenagerkind Zeit unter den Baum. Wird er keine große Dankbarkeit ernten. Keine strahlenden Augen. Keine Begeisterung.

Frisch Verliebte schenken sich immer was, das Schenken, wenn man frisch verliebt ist, ist eine wichtige Sache, nicht nur zu Weihnachten. Kindern muss etwas geschenkt werden, den alten Eltern und der besten Freundin. Dem Partner, in den man nicht mehr frisch verliebt ist, aber nicht. Begehrlichkeiten werden gemeinsam gestillt, nach Absprache, wegen des gemeinsamen Kontos und der Vernunft und der Ausgewogenheit und der Gerechtigkeit.

Wer schenkt, kann enttäuschen. Oder erfreuen. Oder überraschen. So ein Risiko muss die „Wir schenken uns nichts“-Fraktion nicht eingehen. In Celle kann man immerhin riskant tauschen: den Laptop gegen die Strumpfhose, die DVD gegen ein Kaninchen und den Whisky gegen ein Schwert. Ein bisschen Enttäuschung gegen ein bisschen Spaß. Kann man doch mal versuchen. Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg, ihr jüngstes Buch, „Eheroman“, erschien 2012. Ihr Interesse gilt dem Fremden im Eigenen