Amigo ohne Job

Nach einem Telefonat mit dem Staatssekretär glaubt offenbar ein Richter, er habe den Präsidenten-Posten im Verwaltungsgericht sicher – und zieht um. Die SPD findet, die Sache stinke zum Himmel

„Warum jemand sein Haus verkauft, obwohl das Besetzungsverfahren nicht entschieden ist, müssen Sie ihn fragen. Ich würde das nicht tun“

von KAI SCHÖNEBERG

Die Bewerbung für den Präsidenten-Posten im Verwaltungsgericht Hannover schien für Ulrich Meyer-Bockenkamp nur noch reine Formsache. Der Chef des Verwaltungsgerichts von Sachsen-Anhalt zog von Halle nach Hannover um, seine Tochter geht inzwischen hier zur Schule. Jürgen Oehlerking, Staatssekretär im Justizministerium in Hannover, hatte ihm angeblich in einem Telefonat Anfang 2004 den Chef-Posten zugesagt. Inzwischen beschäftigt das Gespräch der beiden Juristen, die sich seit Anfang der 80er Jahre kennen, nicht nur die Gerichte: Gestern war das angebliche Jobzuschanzen sogar Thema im Landtag.

Die SPD wittert eine Amigo-Affäre. „Die Sache stinkt zum Himmel“, sagte SPD-Justizexpertin Heike Bockmann. Oehlerking habe wohl einem alten Kumpel einen Gefallen tun wollen. Von einem „höchst ungewöhnlichen Vorgang“ sprach der Grüne Stefan Wenzel. „Warum jemand sein Haus verkauft, obwohl das Besetzungsverfahren nicht entschieden ist, müssen Sie ihn fragen“, sagte Ministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU). „Ich würde das nicht tun“. Natürlich habe sie „keinerlei Zweifel an der Aussage des Staatssekretärs“. Der habe nur 1982 und 1983 „dienstliche Berührungspunkte“ mit Meyer-Bockenkamp gehabt. Oehlerking genieße ihr „uneingeschränktes Vertrauen“.

So uneingeschränkt ist der Glaube Heister-Neumanns in Oehlerkings Fähigkeiten offenbar nicht, unkt die Opposition. Denn mitten im Bewerbungsverfahren schränkte das Justizministerium den Bewerberkreis auf Interessenten aus Niedersachsen ein – weil die Ministerin ihren eigenen Kandidaten für den Posten durchsetzen wollte, wird spekuliert. Gestern betonte sie, es sei ihr darum gegangen, jüngeren Bewerbern aus Niedersachsen eine Chance zu geben. Allerdings ist es auch ein offenes Geheimnis, dass solch hohe Posten stets nur pro forma ausgeschrieben werden. Kurzum: Anstatt Meyer-Bockenkamp bekam der Direktor eines niedersächsischen Sozialgerichts den Zuschlag.

Weil Meyer-Bockenkamp sich ausgebootet fühlte, zog er vor das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg. Er versicherte an Eides statt, Oehlerking habe ihm die feste Zusage gegeben. Der Staatssekretär bestritt dies vehement in einer nicht strafbewehrten „dienstlichen Erklärung“. Einer von beiden dürfte also gelogen haben.

Das OVG gab Meyer-Bockenkamp Recht. Es untersagte die Besetzung per Eilbeschluss mit der Begründung, das Land habe nicht mitten im Verfahren die Kriterien ändern dürfen – und offenbar keine „Bestenauslese“ getroffen. Wegen des weiter laufenden Verfahrens vor dem OVG wollte sich die Ministerin gestern zu Detailfragen nicht äußern. Heister-Neumann habe „zu allen entscheidenden Fragen die Aussage verweigert“, kritisierte die SPD. Immerhin will die Ministerin die Stelle jetzt ganz neu ausschreiben.