Nur so hoch springen wie nötig

NIEDERLANDE Die Niederländer gehen optimistisch ins Achtelfinale gegen die Slowakei. Viel Wechsel wird es nicht geben in der Aufstellung, das Team begnügt sich mit schnöder Pflichterfüllung. Selbst die Spieler sind gelangweilt

„Wenn wir gegen die Slowaken nicht gewinnen, haben wir im Viertelfinale nichts zu suchen“

ARJEN ROBBEN

„Ist doch schon gut gewachsen, oder?“ fragt Rafael van der Vaart derzeit jeden, der ihn erstaunt anblickt. Er hat mit dem Kollegen Nigel de Jong die Initiative unter einigen Mitspielern angezettelt, die da heißt: „geschoren is verloren“ – wer rasiert, verliert. Neben den beiden ehemaligen Profis des Hamburger SV sehen deswegen auch John Heitinga und Wesley Sneijder ein bisschen entfremdet aus; bei keinem allerdings ist der Bartwuchs so üppig wie bei van der Vaart, 27, der sich so herzlich darüber amüsieren kann.

Und es hat irgendwie den Anschein, als bräuchten die Oranje-Stars diesen Kinderkram, um sich am Kap zu vergnügen. Die „Elftal“ 2010 will anders sein als ihre Vorgänger, denen unterstellt wird, ein Lagerkoller habe sie so manches Mal zum vorzeitigen Ausscheiden gebracht. „Wir sind alt und weise genug, dass wir das jetzt hinbekommen“, sagt van der Vaart. Genauso spielt dieses Ensemble: abwartend und abgeklärt, effizient und erfolgreich. Auch am Montag gegen die Slowakei im Achtelfinale könnte es gut sein, dass die früheren Unterhaltungskünstler sich mit schnöder Pflichterfüllung begnügen – die Mannschaft unter van Marwijk wirkt in Südafrika wie ein Turnierpferd, das nur so hoch springt, wie es muss. Dabei hat der einst bei Borussia Dortmund sehr geschätzte Fußballlehrer für die Offensive ein Potenzial zur Verfügung wie kein anderes europäisches Team.

Bisher stand wegen Arjen Robbens Faserriss in vorderer Reihe eine andere Besetzung als gedacht; als Stoßstürmer van Persie, dahinter links van der Vaart, zentral Sneijder und rechts Kuyt. Änderung nicht in Sicht; selbst gegen die Slowaken soll Robben nochmals den Joker spielen, zumal im Viertelfinale vermutlich Brasilien lauern würde. „Brasilien kann ein Schlüsselspiel für uns werden“, räsoniert Robben, während Sneijder schwadroniert: „Wenn wir gegen die Slowaken nicht gewinnen, haben wir im Viertelfinale nichts zu suchen.“

Endstation aber soll selbst die Seleção nicht sein. „Wir haben nicht das Gefühl“, verkündet van der Vaart, „dass wir hier verlieren können.“ Der Bart soll also länger werden. Ist es da ein schlechtes Omen, dass Kamerad Khalid Boulahrouz sich schon die sprießenden Stoppeln nach dem Kamerun-Spiel eigenhändig entfernt hat? Begründung: „Der hat zu jucken begonnen.“

FRANK HELLMANN