Die WM macht keusch

Anders als erwartet ist der Prostitutions-Boom bei der Fußball-WM ausgeblieben. Sexarbeiterinnen verzeichnen lediglich ein normales Geschäft. Doch die zahlreichen Kampagnen zum Thema Zwangsprostitution haben die Öffentlichkeit sensibilisiert

VON KAI VON APPEN

Der Boom bei sexuellen Dienstleistungen in den Fußball-WM-Austragungsorten im Norden ist ausgeblieben. Ursprünglich war gewarnt worden, tausende osteuropäische Frauen könnten freiwillig und unfreiwillig kommen. Allein die Public-Viewing-Points – in Hamburg steht einer direkt auf dem St. Pauli-Kiez – könnten zusätzliche Sexarbeiterinnen anlocken. Erwartet wurde auch, dass verstärkt Menschenhändler Frauen nach Hamburg und Hannover schleusen und zur Prostitution zwingen würden.

Doch Fußball, Bierrausch und Sex vertragen sich wohl nicht, denn beides ist nicht eingetreten: „Das Gegenteil ist der Fall“, sagt Hamburgs Polizeisprecherin Ulrike Sweden „Nach dem, was die Milieuaufklärer beobachten, haben die Mädchen zwar gut zu tun“, berichtet sie. „Aber nicht mehr, als wenn Hafengeburtstags wäre.“ Ähnliches verzeichnet Thomas Rochell, Leiter des Zentralen Kriminaldienstes in Hannover. „Es sind nicht signifikant mehr Prostituierte anzutreffen als sonst.“ Hinweise auf einen Anstieg der Zwangsprostitution habe die Polizei nicht. Laut Sweden ist die Polizei über diese Entwicklung nicht überrascht. Schon bei der Messe Expo habe sich gezeigt, dass derartige Veranstaltungen keinen Prostitutionsboom erzeugten.

Dass es zu keinen gravierenden Veränderungen im Milieu gekommen ist, ist auch die Erkenntnis des Hamburger Frauenratschlags. Die Sozialarbeiterinnen, die die Appartments aufsuchen, hätten keine Veränderungen festgestellt, berichtet Emilija Mitrovic vom Projektbüro Arbeitsplatz Prostitution der Gewerkschaft ver.di. „Auf der Straße sind zwar hier und da neue Frauen zu sehen“, sagt sie. „Aber das sind allenfalls Hundert.“

Ein für auswärtige Sexarbeiterinnen aufgestellter Container am Hauptbahnhof steht als Anlaufpunkt zur Verfügung. „Bewährt hat sich aber, dass abends die Streetworker fünf Stunden unterwegs sind und viele Beratungsgespräche führen“, erläutert Mitrovic, „und dabei auch muttersprachliche Beratung anbieten können.“ Ebenfalls keinen Grund zur Beunruhigung sieht Veronika Munk von der Frauenrechtsorganisation Amnesty for Women. „Es ist alles ganz normal“, beteuert sie. „Das haben wir von Anfang an gesagt.“ Schon bei den Olympischen Spielen habe sich dieser Trend abgezeichnet. Ihre Organisation bemüht sich daher vor allem mit der Freierkampagne „FairPlay“ für einen fairen Umgang mit „Sexworkers“ zu sorgen.