Das Lachen kehrt zurück in Halbzeit sechs

Nach dem 4:1 gegen Japan sind die Brasilianer erleichtert, dass sie endlich wieder wie Brasilianer Fußball spielen

DORTMUND taz ■ Bisher war diese Weltmeisterschaft nicht das Turnier der großen Individualisten. Die Kandidaten für den inoffiziellen Titel „Superstar der WM“ machen sich rar, und das liegt auch daran, dass die Brasilianer nur äußerst langsam und behäbig in diese Weltmeisterschaft hineinkommen. Traditionell sind sie der Welt aufregendstes Kollektiv großer Individualisten, doch statt durch Fußballkunst alle anderen Nebenschauplätze irrelevant werden zu lassen, erlaubten sie, dass sich die Diskussionen um Ronaldo, das Übergewicht, die Psyche und die vermeintliche Macht des untergehenden Sterns drehten.

Selbst der zum Star dieser WM designierte Ronaldinho spielte zwar solide, aber unspektakulär wie ein Zauberer ohne Zauberstab. Aber alle Glieder des Weltmeisters schienen gelähmt durch die große Krise Ronaldos. Das demonstrierte die Dramaturgie des 4:1-Sieges der Brasilianer gegen Japan eindrucksvoll. „Das Wichtigste ist, dass wir heute endlich mit dem brasilianischen Stil gewonnen haben“, sagte Carlos Alberto Parreira nach dem Spiel. Die Freude war ihm deutlich anzumerken, denn während der Erfolge gegen Kroatien und Australien war diese „brasilianische Art und Weise des Fußballs“, von der Parreira sprach, verborgen geblieben. Auch gegen Japan dauerte es exakt 45 Minuten, in denen sie ihre imaginären Fesseln einfach nicht loswurden. Dann kam es doch noch zur großen Explosion, auf die das südamerikanische Fußballland seit zwei Wochen wartet: Ronaldos Tor praktisch mit dem Halbzeitpfiff.

Der 1:1-Ausgleich befreite die Mannschaft von einer Last. „Wir sind alle außer uns vor Freude, dass Ronaldo zurück ist im Kreis der Torschützen, und wir hoffen, dass er weiterhin treffen wird“, sagte Stürmerkollege Robinho. Trotz der offenkundigen Schwäche des Stars stand die Mannschaft stets zu ihm, auch wenn sich alle gestört fühlten durch das Drama um Ronaldo, der durch seinen zweiten Treffer zum 1:4, seinen 14. bei Weltmeisterschaften insgesamt, mit dem ewigen WM-Torschützenspitzenreiter Gerd Müller gleichzog.

Wie sehr das Team gelitten haben muss, zeigten die zweiten 45 Minuten gegen Japan. Das ganze Team fand endlich den Mut, die gewagten Ideen der brasilianischen Fußballkunst umzusetzen: Es gab rasante Kombinationen, Robinho dribbelte wie ein kleiner Gott, vor allem aber fand Ronaldinho in seiner sechsten Halbzeit endlich sein Spiel. Ronaldinhos Lachen ist zurück, viel zu lange war es verdeckt vom Schatten der großen Ronaldo-Krise. DANIEL THEWELEIT