STEUERPOLITIK: DIE GROSSE KOALITION ZEIGT SICH HANDLUNGSFÄHIG
: Von Blockade keine Spur

Kleine Schritte hat Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigt, als die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD im vergangenen Herbst beendet waren. Nun macht die große Koalition erstaunlich große Schritte. Plötzlich debattiert die Regierung in aller Öffentlichkeit über astronomische Zahlen: Um 40 Milliarden Euro oder mehr sollen die Sozialabgaben gesenkt und die Steuern erhöht werden. Und das ist grundsätzlich genau die richtige Perspektive, die alle Experten seit zehn Jahren teilen.

Schon die rot-grüne Bundesregierung wusste es 1998: Die hohen Lohnnebenkosten, die das deutsche Sozialsystem finanzieren, bedeuten für hiesige Arbeitsplätze einen Konkurrenznachteil in der globalisierten Wirtschaft. Um die Sozialabgaben zu senken, führten Gerhard Schröder und Joschka Fischer deshalb die Ökosteuer ein. Ähnliches schlagen jetzt SPD-Chef Kurt Beck, Arbeitsminister Franz Müntefering und Finanzminister Peer Steinbrück wieder vor. Ab 2008 könnten die Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Krankenversicherung um mehrere Prozentpunkt sinken und die fehlenden Milliarden durch höhere Steuern gegenfinanziert werden.

Das wäre keine Abzocke eines gierigen Staates, denn die Arbeitnehmer würden im Gegenzug durch niedrigere Sozialabgaben profitieren. Damit bei einer solchen Umschichtung das soziale Gleichgewicht gewahrt bleibt, dürfte allerdings nicht einseitig die Mehrwertsteuer steigen, die die Verbraucher bezahlen. Das Paket müsste auch höhere Belastungen für große Einkommen und Vermögen enthalten.

Es bleibt abzuwarten, was bei den Diskussionen herauskommt. Wichtige Unionspolitiker wie der hessische Ministerpräsident Roland Koch kritisieren den Plan. Ohnehin würde vieles davon erst nach der nächsten Bundestagswahl realisiert. Und wer weiß schon, wie dann die Regierung aussieht? Bei aller Vorsicht aber: Die Einschätzung, diese Koalition blockiere sich selbst, lässt sich nicht aufrechterhalten. Man streitet, aber zerstreitet sich nicht. Offenbar ist das Regierungspersonal so entspannt, dass weitreichende Debatten zumindest einmal möglich sind. HANNES KOCH