Ein Opfer stößt auf Misstrauen

Khaled El Masri bleibt dabei: Während seiner Gefangenschaft in Afghanistan habe ihn ein Deutscher verhört. Doch manche Politiker interessieren sich mehr für seine Jugend im Libanon. SPD unterstellt Entführungsopfer Vorurteile gegen Amerikaner

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Khaled El Masri ist ein großer, kräftiger Mann. Er sieht aus wie einer, den so schnell nichts umhaut. Und er hat eine Geschichte, die danach klingt, dass er oft mutig gewesen sein muss. Als El Masri sehr jung war, schloss er sich im Libanon einer Rebellentruppe an. Warum er damals zu den Waffen griff, musste er am Donnerstagabend im Untersuchungsausschuss des Bundestags erklären. Er tat es kurz und bündig: „Wir haben die Syrer als Besatzungsmacht gesehen und wir haben gegen sie gekämpft.“

Doch inzwischen ist El Masri 42 Jahre alt, längst deutscher Staatsbürger – und er ist vorsichtig geworden. El Masri gibt nur so viel von sich preis wie nötig. Vielleicht auch deshalb, weil ihn deutsche Politiker immer noch über seine Jugendzeit ausfragen.

Nach seiner Vernehmung, bei der es eigentlich um seine Verschleppung durch die CIA im Jahr 2004 gehen sollte, steht der Zeuge noch eine Weile in einer Ecke des Foyers. Er wartet auf seinen Anwalt, der Interviews gibt. Er könnte jetzt eine Show vor den Kameras abziehen, doch El Masri bleibt still und wirkt erleichtert, dass seine Befragung nach drei Stunden vorbei ist. Am Anfang schien es, als könnte er sie gar nicht durchstehen. Er musste weinen, als er erzählte, dass seine Familie nicht mehr da war, als er aus der US-Gefangenschaft zurückkam. Sein Anwalt bat um eine Pause. Danach fing sich El Masri wieder, er antwortete ruhig, sachlich, sicher.

„Glaubwürdig“ sei er gewesen, sagen die Politiker bei ihren Statements. Es sei „erschütternd“, was ihm widerfahren sei. Das meiste habe man zwar schon gewusst, sagen sie, aber es persönlich zu hören, sei bewegend.

„Ich weiß immer noch nicht, warum man mir das alles angetan hat“, hatte El Masri gesagt. Seine Verhaftung in Mazedonien: ohne Begründung. Seine anschließende Entführung durch amerikanische Geheimdienstler: ohne Begründung, aber mit einem Sack über dem Kopf. Seine monatelange Gefangenschaft in Afghanistan: ohne Kontakt zur Außenwelt. Seine Freilassung: ohne Begründung, nach einem Rückflug mit verbundenen Augen. El Masris Geschichte ist ein wahr gewordener Albtraum – und längst Politikum, ja Staatsaffäre. Die Kanzlerin hat sich Ärger eingehandelt, weil sie öffentlich verkündete, dass die US-Außenministerin El Masris Entführung einen Fehler genannt habe. Offiziell sind die USA bis heute weder zu einer Entschuldigung, geschweige denn Entschädigung bereit. Sämtliche Anfragen der deutschen Justiz nach Aufklärung blieben ohne Antwort aus Washington, wie ein Staatsanwalt am Donnerstag berichtete.

Der Opposition aber geht es vor allem darum, eine mögliche Beteiligung deutscher Behörden an der Entführung aufzudecken. Als Indiz dafür gilt El Masris Aussage, er sei in Afghanistan von einem deutschsprachigen Mann namens „Sam“ verhört worden. Dieser habe ihm unter anderem gesagt: „Wir haben einen deutschen Bundespräsidenten.“ Aber muss das bedeuten, dass „Sam“ im Auftrag deutscher Behörden unterwegs war? Im Ausschuss fügte El Masri ein neues Indiz hinzu: Einmal habe ihm „Sam“ gesagt, er müsse „Rücksprache mit Deutschland“ halten. Die mit dem Fall El Masri betrauten Staatsanwälte jedoch erklärten, sie hätten den Verdacht, „Sam“ könnte BKA-Beamter sein, nach zwei erfolglosen Gegenüberstellungen abgehakt. Sie ermitteln nur noch „in Richtung CIA“.

Prompt erklärte der SPD-Vertreter Thomas Oppermann, es sei „beruhigend“, dass deutsche Behörden wohl nicht beteiligt waren. Dass mindestens ein BND-Beamter von der Entführung wusste, dass die deutsche Botschaft über die Festnahme eines Deutschen informiert war? Alles nur Indizien, keine Beweise, die Regierungspolitiker erschüttern könnten.

Bei der Befragung warf Oppermann El Masri „Vorurteile gegen Amerikaner“ vor. Auch wenn „Sam“ höflicher als andere Verhörer war, könne er Amerikaner sein. El Masri blieb dabei: Er halte „Sam“ für einen Deutschen.

Ausführlich befragt wurde El Masri auch, warum er vor seiner Entführung überhaupt nach Mazedonien gefahren sei – noch dazu mit 3.200 Euro Bargeld in der Tasche. Die Begründung „Urlaub“ genügte scheinbar nicht.

El Masri sagt hinterher wenig. Auf die Frage, ob ihn die Politiker fair behandelt haben, überlegt er kurz. Nein, sagt er, dazu wolle er nichts sagen. Nur so viel: Es sei ihm nicht ganz klar, was die wirklich von ihm wollten.