Der gläserne Bankkunde

Dem Antiterrorkampf der Bush-Regierung ist das Bankgeheimnis zum Opfer gefallen. Der US-Geheimdienst hat internationale Geldtransfers überwacht

Die CIA hat offenbar die Geldtransaktionen tausender US-Bürger und anderer Staatsangehöriger ausgeleuchtet

AUS WASHINGTONADRIENNE WOLTERSDORF

Nicht nur Arztakten, Bibliotheksdaten, Fluglisten und private Telefonate durchforstet die US-Regierung in ihrem Kampf gegen den Terror. Zeitungsberichten von gestern zufolge verschafft sie sich seit den Attentaten vom 11. September 2001 auch millionenfach Zugang zu Daten internationaler Geldtransfers. Damit suche die Regierung nach Verbindungen zwischen dem Terrornetzwerk al-Qaida und seinen Finanziers, berichtete die New York Times unter Berufung auf Ermittler.

Wie der US-Lauschangriff auf internationale Telefongespräche, wird das Programm zur Auswertung der in Belgien gesammelten Finanzdaten demnach seit bald fünf Jahren unter strengster Geheimhaltung betrieben. Nach Einschätzung von Insidern spielt sich dies in einer rechtlichen Grauzone ab.

Für seine Finanzrecherchen nutzt Washington die internationale Datenbank der „Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication“ (Swift) im belgischen La Hulpe. Swift wird von der weltweiten Bankenindustrie auf genossenschaftliche Weise betrieben. Ihre Arbeit wird von einem Ausschuss der G-10-Notenbankgruppe kontrolliert. Die Gesellschaft wird derzeit vom Amerikaner Leonard Schrank geleitet.

Um an die Swift-Daten zu gelangen, erweiterte die US-Regierung die administrative Macht des Finanzministeriums und konnte so den herkömmlichen Datenschutz im Bankengeschäft umgehen. Die Schnüffelaktion der Regierung wurde dem Bericht zufolge vom Geheimdienst CIA geleitet, die Aufsicht liegt beim Finanzministerium. Beide stützen dabei ihre Zugriffe nicht wie sonst vorgesehen, auf richterliche Einzelgenehmigungen für die Offenlegung einzelner Transaktionen oder individueller Daten, sondern auf eine breit angelegte Behördenanordnung. Diese machte auf einen Schlag den Zugang zu Millionen von Daten der belgischen Institution möglich. Auf diese Weise habe der CIA die internationalen Geldtransaktionen tausender US-Bürger und anderer Staatsangehöriger ausgeleuchtet, um so die Identitäten, den Aufenthaltsort und die Aktivitäten von Verdächtigen ermitteln zu können.

Der US-Kongress hat dieser Vorgehensweise keine ausdrückliche Genehmigung erteilt, allerdings hatte das Parlament Präsident Bush unmittelbar nach den Anschlägen mit weit reichenden Vollmachten im Kampf gegen den Terror ausgestattet. Im Fall des Lauschangriffs auf die privaten Telefonate durch den Geheimdienst NSA, der im Dezember vergangenen Jahres enthüllt wurde, haben jedoch einige Kongressabgeordnete Bush inzwischen sogar im Verdacht, seine in der Verfassung definierte Macht gebrochen zu haben.

„Es ist ein einzigartiger und wirkungsvoller Einblick in die Aktionen terroristischer Netzwerke“, verteidigte das US-Finanzministerium das CIA-Programm. Es sei „ohne Zweifel ein rechtmäßiger und angemessener Gebrauch unserer Vollmachten“, erklärte Stuart Levey, Staatssekretär im Finanzministerium, der New York Times. Das Blatt berichtete, die Regierung habe dennoch versucht, die Zeitung davon zu überzeugen, ihre Recherchen nicht zu veröffentlichen.

Nochfinanzminister John Snow betonte, die US-Regierung habe mit dem Programm kein großes Fischernetz ausgeworfen, sondern nutze es wie eine „Harpune“, um das Zentrum terroristischer Aktionen zu torpedieren. Zum Beweis verwies Snow auf die Gefangennahme des Extremisten Riduan Isamuddin Hambali, der als Drahtzieher der Selbstmordattentate auf der indonesischen Ferieninsel Bali gilt. Rund 200 Menschen starben damals, im Jahre 2002, in einer Diskothek auf Bali, darunter auch zahlreiche Deutsche.

Zweifel am Vorgehen der USA haben nicht nur die Verantwortlichen bei Swift, die bereits 2003 strengere Kontrollen des Washingtoner Zugriffs auf ihre Daten erwirkten. Das Blatt zitiert zudem mehrere mit dem Programm befasste Regierungsvertreter mit der Einschätzung, ihre Regierung nutze mit dieser Vorgehensweise eine rechtliche Grauzone aus. „Es gab immer Bedenken gegen das Programm“, sagte ein früherer Regierungsvertreter dem Blatt. Es werde zwar streng kontrolliert, hieß es weiter, die Möglichkeiten des Missbrauch seien aber „enorm“.