Landwehrkanal für alle!

Ein Aktionsbündnis setzt sich für mehr Lebensqualität und eine nachhaltige Sanierung des Landwehrkanals ein. Mit einer „Paddeldemo“ wollen sie ihre Forderungen in die Öffentlichkeit tragen

Paddelparade am 3. Juli

Mit der Paddelparade demonstriert das Aktionsbündnis „Landwehrkanal für Alle!“ in diesem Jahr zum dritten Mal für ein ganzheitliches städtebauliches Sanierungskonzept für den Landwehrkanal, mit dem Ziel einer umwelt- und menschenfreundlichen Entwicklung.

Die Paddelparade startet um 13.00 Uhr am Urbanhafen.

Im Netz:

www.unserkanal.blogspot.com

und

www.bäume am landwehrkanal.de

Arno Paulus kennt sich auf den Berliner Wasserstraßen aus. Mit dem Solarschiff, der „Chassalli-Solar“, fährt er regelmäßig über die Spree und über den Landwehrkanal und gibt sein Wissen über die politischen und ökologischen Entwicklungen an den Ufern der beiden wichtigsten Wasserstraßen der Stadt an seine Passagiere weiter.

Im Augenblick bereitet er sich zusammen mit dem Aktionsbündnis „Landwehrkanal für alle“ auf die Paddelparade auf dem Landwehrkanal vor, die am kommenden Samstag zum dritten Mal stattfinden wird. Die Initiative setzt sich seit 2008 für eine nachhaltige Entwicklung des Landwehrkanals ein. „Es ist Zeit, dass etwas gemacht wird. Aber nur gemeinsam mit den Benutzern und Anwohnern“, sagte Paulus in einem Gespräch mit der taz.

Tatsächlich bröckelt der Landwehrkanal, den Paulus „ein innerstädtisches Juwel“ nennt, an vielen Ecken: die morschen Holzspundwände sind unterspült oder abgerutscht. Doch daran ist nicht nur die mangelnde Instandhaltung durch das Wasser- und Schifffahrtsamt schuld. Auch die Sport- und Passagierboote mit ihrem Wellenschlag machen dem Kanal zu schaffen. Schließlich ist der Kanal 1851 für den Transport von Lasten angelegt worden, die damals von Eseln gezogen wurden. Ein weiteres Manko ist die Wasserqualität. „Oft kippt schon im Juni der Sauerstoffgehalt und alle Fische sterben“, erklärte Paulus. Das Problem sei die Mischwasserkanalisation, die bei jedem starken Regenfall überläuft und deren Abwasser dann in den Kanal läuft.

Im April 2007 wurde Paulus aktiv, nachdem das Wasser- und Schifffahrtsamt ankündigte, entlang des Landwehrkanals 200 Bäume fällen zu wollen. An der baumlosen Anlegestelle der Reederei Riedel, nahe der Kottbusser Brücke, war ein Stück der Kanalmauer in das Wasser gesackt. Damals gründete sich das Aktionsbündnis „Bäume am Landwehrkanal“, das mehr als 26.000 Unterschriften gegen die Fällungen sammelte und größeren Schaden am Baumbestand verhindern konnte.

Überrascht von dem Widerstand aus der Bevölkerung, erklärte sich das Wasser- und Schifffahrtsamt zunächst bereit, die Frage der Kanalsanierung im Rahmen eines Mediationsverfahrens unter dem Titel „Zukunft des Landwehrkanals“ mit den Anwohnern zu diskutieren.

Doch die Mediation befasst sich seit ihrem Start im Wesentlichen mit der Reparatur des Bauwerks. Arno Paulus stieg daraufhin aus der Mediation aus und macht sich seitdem für eine zukunftsfähige Nutzung des Kanals stark. Er wünscht sich, dass der Landwehrkanal für alle besser nutzbar gemacht wird. „Die Stadt Berlin wurde vom Wasser her gebaut, nun ist es an der Zeit, alle Zukunftsplanungen auch vom Wasser her zu entwickeln“, sagt Paulus. Deshalb fordert das Bündnis die Verbesserung und Erhaltung der Aufenthaltsqualität am Landwehrkanal.

Außerdem will die Initiative „Landwehrkanal für alle“ erreichen, dass der Betrieb der Fahrgastschiffe nicht weiter steigt. „Auch an den Spreeufern zeigen sich erste Auflösungserscheinungen, der Schiffsverkehr auf der Unterspree ist schon fast gefährlich“, sagte Paulus. Schuld daran seien die großen Reedereien, die vor allem aufs schnelle Geld achteten. Nicht nur für das Wasser, sondern auch für die Anwohner sei der Fahrgastverkehr eine Belastung. Bis in den vierten Stock stiegen die ungefilterten Abgase der Schiffe: Die immer gleichen Ansagen, so hätten es ihm AnwohnerInnen berichtet, seien oft „schlimmer als der Partylärm auf der Admiralbrücke“. Paulus selbst hat auch schon ein paar interessante Ansätze: Im Jahr 2006 organisierte er gemeinsam mit anderen den „Dolmus-Express“, der kurzfristig eine Alternative zum Bus oder der S-Bahn darstellte.

Am liebsten würde die Initiative das Betreiben von Schiffen, die fossile Brennstoffe brauchen, ganz einschränken und stattdessen nur noch welche mit schadstofffreien Elektromotoren auf dem Kanal sehen. Die Initiative appelliert hier an die Politik, die sich weigert, die Verantwortung für die Zukunft des Landwehrkanals zu übernehmen.

Auch die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 6 km/h sollte weiterhin bestehen bleiben. Egal was passiert, wichtig sei vor allem, dass die gewerblichen Anrainer und alle AnwohnerInnen mit in die Planung einbezogen würden. Um das zu erreichen und eine nachhaltige Sanierung zu ermöglichen, kämpft die Initiative unter anderem für ein sozioökonomisches Gutachten.

Am 3. Juli soll auf diese Anliegen aufmerksam gemacht werden. Dann findet zum dritten Mal die Paddelparade statt, an der auch VertreterInnen aus der Politik, wie Hans Christian Ströbele, teilnehmen werden. Geplant ist ebenfalls ein Konzert der Hausband des Bootsclubs 36 e. V., die auf der „Chassalli“ die Paddlerinnen mit Musik aus ihren solarbetriebenen Verstärkern begleitet.

Nach Sonnenuntergang gibt es dann noch eine Uraufführung: Zwanzig Roboter spielen Händels „Wassermusik“. Los geht es um 13 Uhr am Urbanhafen in Kreuzberg. Wer sich an der Paddelparade beteiligen oder in der Initiative aktiv werden will, sollte am 3. Juli 2010 um 12.30 Uhr sein Boot zum Urbanhafen mitbringen. LUKAS DUBRO