Pokerräuber sollen sitzen bleiben

PROZESS Plädoyers im Poker-Prozess vor dem Landgericht. Der Staatsanwalt fordert bis zu fünf Jahre Haft. Die Verteidiger kritisieren das als „überzogen“ – und fordern Bewährungsstrafen. Urteil am Donnerstag

Der sonst so coole Ahmad El-A. presst die Lippen zusammen. Eben hat Staatsanwalt Frank Heller für den 20-Jährigen eine Haftstrafe von viereinhalb Jahren gefordert. „Unrealistisch und schockierend“, beschwert sich El-A.s Verteidiger. Als am Donnerstag im „Pokerprozess“ am Landgericht die Plädoyers gesprochen werden, können Verteidiger und Staatsanwaltschaft kaum weiter auseinander liegen.

Die vier wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung Angeklagten hatten im Prozess gestanden, Anfang März ein internationales Pokerturnier am Potsdamer Platz überfallen und 242.000 Euro erbeutet zu haben. Diese Tat sei keine Kleinigkeit, sondern Schwerstkriminalität, so Staatsanwalt Frank Heller in seinem Plädoyer. Die Angeklagten seien vermummt und bewaffnet gewesen, hätten Wachmänner geschlagen und Aussicht auf eine Beute von einer Million Euro gehabt.

Neben den viereinhalb Jahren für Ahmad El-A. fordert Heller für den 19-jährigen Jihad C. fünf Jahre Haft. Dem 21-jährigen Vedat S., einziger Erwachsener im Prozess, gesteht der Staatsanwalt die Kronzeugenregelung zu. S. hatte sich als Erster gestellt und seine drei Komplizen verraten. Auch Mustafa U. habe zur Aufklärung beigetragen, lobt Heller. Der 20-Jährige hatte einen Hintermann benannt – den Fluchtwagenfahrer und Organisator der Tat. Ohne diese „mutige Leistung“ hätte er eine Strafe von sieben Jahren gefordert, so Heller. So sehe er jeweils vier Jahre Haft als angemessen.

„Absurd und vollkommen überzogen für das Jugendstrafrecht“, erregt sich Nicolas Becker, Verteidiger von Jihad C., über Hellers Plädoyer. Sein Mandant hatte ein „ordentliches Vorleben“, lebe in einem stabilen Elternhaus, habe kaum Vorstrafen. Zudem seien die Sicherheitsvorkehrungen eine „absolute Lächerlichkeit“ gewesen. Überhaupt seien Pokerturniere „recht obszöne Veranstaltungen“.

Auch die anderen Verteidiger kritisieren die Haftforderungen als unverhältnismäßig. Sie fordern Bewährungsstrafen. Nur Mustafa U.s Anwalt plädiert auf ein Jahr Haftstrafe. Der Intensivtäter wurde erst im Januar aus der JVA entlassen.

Das letzte Wort haben die Angeklagten selbst – bevor am Donnerstag das Urteil fällt. Sie bereuten den Raub, beteuern die vier reihum. Er bitte um ein mildes Urteil, die Tat sei ein Wendepunkt in seinem Leben gewesen, sagt Mustafa U. Er wolle jetzt Koch werden und eine Familie gründen. KONRAD LITSCHKO