DAS DING, DAS KOMMT
: HipHop und der Holocaust

DAS TÜDELBAND ist als Spielgerät in Vergessenheit geraten. Das Vergessen und die Erinnerung – an die Hamburger Juden – waren immer wieder Thema für den jüngst verstorbenen Filmemacher Jens Huckeriede

Er habe noch viel vorgehabt, sagen welche, die’s wissen dürften: die Leute von der Thede-Filmproduktion in Hamburg-Altona. Zu denen seit einigen Jahren auch Jens Huckeriede zählte. Überraschend verstarb er im Dezember in seiner Wohnung.

Zum Filmemachen kam Huckeriede, Jahrgang 1949, auf Umwegen: Der gelernte Kaufmann landete in der Sozialpädagogik, machte freies Theater und irgendwann Kunstinstallationen, und die Videokamera war immer öfter dabei. Immer wieder beschäftigte ihn, was während des 20. Jahrhunderts mit den Hamburger Juden geschah. So schrieb er 1994 den Text eines Volkslieds auf den Gehweg rund um das ausgelöschte Jüdische Viertel von Altona: „An de Eck steiht’n Jung mit’n Tüdelband“.

Selbst so einen Fassreifen mit dem Stock durch die Straßen getrieben zu haben, dafür war Huckeriede zu jung, aber das Lied kenne er aus seiner Kindheit, erzählte Huckeriede mal der taz. Dass es ein Schlager der jüdischen Gesangskomödianten Leopold und Ludwig Wolf war, erfuhr er erst viel später. Denen hatte ihr Assimiliertsein nichts genutzt: Nach 1933 galten ihre Gassenhauer als entartet, sie selbst verloren ihr „Operettenhaus“ an der Reeperbahn, sie flohen oder wurden ermordet.

Daran mussten auch die allermeisten Hamburger erst wieder erinnert werden, um das Jahr 2000 herum, nicht zuletzt durch Huckeriedes Wühlen in Archiven und seine Forschungsreisen, nach Schanghai etwa oder nach Kalifornien. Dort traf er auf Dan Wolf, einen Urenkel, damals in seinen 20ern, Theatermacher und Rapper.

Dieser Dan Wolf ist die Hauptfigur von Huckeriedes toller Doku „Return of the Tüdelband“, die jetzt zu seinen Ehren ein paar Mal wieder aufgeführt wird. Deutlich wird darin sein Ringen mit der Frage: Wie erinnern, wenn die Zeugen verschwinden? Wie gerade auch junge Menschen erreichen, die glauben, von der Vergangenheit doch schon allzu viel gehört zu haben? Nicht allen, die sich fürs richtige Erinnern zuständig fühlen, waren Huckeriedes Antworten recht: Hip-Hop und der Holocaust, nein, das geht doch nun wirklich nicht in ein und demselben Film.

Dazu laufen weitere von Huckeriedes Arbeiten, auch seine letzte, „Sound in the Silence“. Wäre es ihm möglich gewesen, er hätte wohl noch viel zu tun gehabt.  ALDI

■ „Return of the Tüdelband. Gebrüder Wolf Story“: 5. Januar, 11 Uhr, Hamburg, Abaton-Kino; 25. Januar, 16 Uhr, Hamburg, 3001 „‚Ab nach Rio‘ – Die Akte Guggenheim“: 12. Januar, 11 Uhr, Abaton „Sound in the Silence“: 19. Januar, 11 Uhr; 26. Januar, 16 Uhr, 3001