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„Wir wollen deutlich näher ran!“

SCHWEIFSTERNE Früher waren Kometen Boten kommenden Unheils. Heute detektiert man an ihnen die Anfänge des Alls: Auf einem von ihnen soll die 2004 gestartete Sonde Rosetta einen Forschungsroboter absetzen. Die Fäden der Mission, die ab 20. Januar in die kritische Phase tritt, laufen bei Hermann Böhnhardt in der niedersächsischen Provinz zusammen

Hermann Böhnhardt

■ 58, Astrophysiker, seit 2004 in der Kometen- und Planeten-Abteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung, Katlenburg-Lindau, wo er die Landeeinheit der Rosetta-Mission der European Space Agency (ESA) mitbetreut. Nach der Promotion über Staubteilchen bei Kometen und im interplanetaren Raum und Forschungen an der Münchner Uni-Sternwarte war Böhnhardt unter anderem an der Europäischen Südsternwarte in Chile tätig. Nach ihm ist der Hauptgürtel-Asteroid 8010 Böhnhardt benannt, der einen Orbit von 2.056,1413401 Tagen hat (das entspricht 5,63 Jahren), den der belgische Kleinplanetenforscher Eric W. Elst am 3. April 1989 entdeckt hat.

INTERVIEW BENNO SCHIRRMEISTER

taz: Herr Böhnhardt, warum fliegt Rosetta ausgerechnet zum Churyumov-Kometen?

Hermann Böhnhardt: 67P/Churyumov-Gerasimenko. Aber Sie können auch einfach 67P sagen. Dass der zum Ziel wird, hat sich eher so ergeben, aus der Situation heraus: Das war nicht der ursprüngliche Target-Komet.

Sondern?

Als Rosetta vor gut 20 Jahren aus der Taufe gehoben wurde, war noch mit 73P/Schwassman-Wachmann3 geplant worden. Und später dann, fast die gesamte Bauphase über, war 46P/Wirtanen das Ziel gewesen …

Und wieso ist es Churyumov-Gerasimenko geworden?

Das hängt damit zusammen, dass es jeder Komet nur sehr spezielle und recht kleine Startfenster hat – ein paar Wochen vielleicht. Und, wenn man die verfehlt, beispielsweise, weil der Satellit noch nicht fertig ist, oder weil es ein Problem mit der Rakete gibt und die nicht starten kann, dann kann man die nicht ansteuern.

Und bei Rosetta …?

… hatte die Ariane kurz vorher einen Fehlstart gehabt, und dessen Ursache war noch nicht aufgeklärt. Da wollte man nicht das Risiko eingehen, diese milliardenteure Mission einfach ins Meer zu schießen.

Das war 2003.

Und dann war das Zeitfenster für Wirtanen zu. Und damit das Ziel unerreichbar. Das war tatsächlich eine Design-Schwäche des Projekts, dass man nicht von vornherein einen Backup-Kometen in der Planung mitgenommen hatte. Also musste man nach Ersatzkometen suchen – und von denen den geeignetsten aussuchen.

Nach welchen Kriterien?

Wichtig sind die Bahnen: Sie dürfen keine zu große Neigung gegen die der Erde aufweisen. Denn, die zu erreichen, würde mindestens sehr viel Zeit und Treibstoff kosten oder sogar dazu führen, dass man gar nicht rankäme ans Objekt.

Dann wäre es sinnlos, klar.

Rosetta hat ja zum Ziel, eine Orbiter-Mission zu machen und sogar einen Lander abzusetzen …

also den Kometen zu umkreisen– und einen Roboter drauf abzusetzen …

Ja. Bisher hatten wir bei Kometen nur Fly-by-Missionen.

Also Vorbeiflüge?

Genau: Fly-by bedeutet, man passiert das Objekt in nahem Abstand allerdings mit einer großen Relativgeschwindigkeit von bis zu 70 Kilometern pro Sekunde wie zum Beispiel 1986 bei der ESA-Mission Giotto zum Halley’schen Kometen. Das gibt dann Messzeiten von ein paar Stunden, in denen die gesamte Wissenschaft passieren muss. Und das war’s dann. Man kriegt da so ein Blickmoment. Um näher dranzukommen und einen Lander abzusetzen, müsste man ein Bremsmanöver machen, für das man ein eigene Rakete bräuchte, fast wie beim Start, die mehrere Kilometer Geschwindigkeit pro Sekunde aufbringt – aber als Bremsgeschwindigkeit. Das würde Tonnen an Masse bedeuten – die man nicht mitnehmen kann: Unsere Rosetta ist ja schon nicht ganz leicht, die wiegt zwei Tonnen oder sogar etwas mehr – aber um eine Rakete, die wirklich bremsen würde, dabei zu haben, reicht das nicht.

Haben Sie mir jetzt gerade erklärt, dass Rosetta gar nicht funktioniert, weil es unmöglich ist, auf einem Kometen zu landen – oder wie haben Sie stattdessen gebremst?

Mit Planeten-Fly-bys. Rosetta bremst, indem sie an Planeten vorbeifliegt – einmal am Mars und dreimal an der Erde: Dadurch ändert sich die Bahn der Sonde so, dass sie sich an die des Zielkörpers gleichsam anschmiegt – und wir nur noch mit relativ kleinen Abbremsmanövern arbeiten müssen, ein paar hundert Meter pro Sekunde. Dafür kann man ausreichend Treibstoff mitnehmen. Bloß aus den vielen Fly-by-Manövern ergibt sich auch die vergleichsweise lange Dauer der Mission. Die Sonde ist ja seit beinahe zehn Jahren ganz ohne den Kometen unterwegs, den erreicht sie erst jetzt, und dann fliegt sie anderthalb Jahre mit ihm mit. Diese Planeten-Fly-by-Manöver können Sie halt nur machen, wo sich Sonden- und Planetenbahn schneiden – etwa im Bezug auf Rosetta und die Erde am Startpunkt: Bloß es dauert halt, bis Sie dorthin zurückgekehrt sind.

Wie lange?

Na, das kostet Sie mindestens ein Jahr, würde man sagen.

Oh, ja, klar. Eigentlich logisch.

Eben. Und wenn Sie vier Fly-bys machen müssen, und Mars ist auch noch weiter draußen – dann müssen Sie eben warten. Da bleibt Ihnen nichts übrig.

Rosetta ist also so lange unterwegs um zu bremsen?!

Ja, das klingt ein bisserl lustig: Sie nutzt diese Zeit, um Abbremsgeschwindigkeit zu gewinnen.

Ich stelle mir problematisch vor, wenn an so einem Projekt mehr als 20 Jahre gearbeitet wird: Aus der ersten Crew sind doch bestimmt inzwischen die meisten im Ruhestand, emeritiert, und einige …

Einige sind auch schon gestorben, ja. Diese verhältnismäßig lange Dauer ist ein Problem, keine Frage: Die Vorplanungen haben 1992 angefangen, jetzt läuft das Ding immer noch und kommt eigentlich gerade erst in die interessante Phase …

In den letzten Jahren flog die Sonde ja völlig inaktiv, es gab nicht mal Funkkontakt: Wie wird Rosetta denn aus diesem Winterschlaf, der „Deep Space Hibernation“, geweckt?

Am 20. Januar um 10 Uhr Weltzeit klingelt ein Wecker auf der Sonde.

Er klingelt?

Na, das ist eine Zeitschaltuhr, die dann den Sender wieder anstellt, den Computer wieder einschalten muss. Denn seit zwei Jahren gibt es keinerlei Kontakt mehr mit der Mission.

Das heißt, es könnte passieren, dass am 20. – gar nix passiert?

Naja, passieren kann das schon.

Aber – Sie haben gute Erfahrungen mit diesem kosmischen Winterschlaf?

Ja, die ESA hat gute Erfahrungen damit gemacht. Giotto etwa …

die Sonde, die 1986 den Kometen Halley erforscht hatte?

… die ist ja dann noch weitergeflogen – und 1992 noch einmal aktiviert worden, also sechs Jahre nach Ende ihrer ursprünglichen Mission. Die war in der Zwischenzeit auch in Hibernation gewesen. Also den Betrieb werden wir schon wieder starten können.

Sind Sie gar nicht aufgeregt, dass die Sache noch schief geht nach all den Jahren?

Also jetzt jedenfalls sitze ich noch nicht da und bin zittrig, wenn Sie das meinen. Vielleicht im kommenden November, da kann es sein, dass man in einen angeregten Zustand gerät: Der 11. November ist der nominale Landezeitpunkt – und in der Phase geht es dann um die Wurst, das steigert sich ja langsam: Im August suchen wir einen Landeplatz raus, dann wird der inspiziert bis wir ihn, 30 Tage vor der Landung, endgültig festlegen. Und da gibt es natürlich immer Break-Punkte, wo noch etwas schief gehen kann. Das sind spannende Momente, weil wir die Vorgänge bis zur Landung zu einem großen Teil nicht auf der Erde haben testen können, die laufen einmalig ab – und müssen dann funktionieren.

Und wenn nicht?

Das ist dann unter Umständen das Ende vom Lander.

Autsch!

Wenn der eine Bruchlandung hinlegen würde, wäre das schon bitter, kostspielig – und eine große Enttäuschung, weil wir ja nicht den erhofften wissenschaftlichen Return bekämen. Aber es gäbe halt noch den Orbiter, der auch schon eine Menge leisten kann. Wenn der ausfiele, wäre es schlimmer. Denn dann ist automatisch auch der Lander passé, weil wir den Orbiter brauchen, um den Funkkontakt herzustellen.

Aber jetzt von Ende Januar an funkt Rosetta schon aufregende Bilder vom Kometen auf die Erde?

Nicht direkt: Erst wird das Spacecraft selbst aktiviert, dann schaut man: Funktioniert alles so, wie man will, dann werden der Reihe nach die wissenschaftlichen Instrumente in Betrieb genommen und getestet …

um nicht verunreinigte Daten zu bekommen?

Es kann auch mal etwas so kaputt gehen, dass Sie gar nichts mehr kriegen. Und wenn man das reparieren will, oder doch noch etwas Ähnliches über einen Umweg erkaufen will von der Sonde, über Software, oder über redundante Elemente im System, braucht man dafür ein bisschen Zeit: Es wird dann erst auf der Erde ausprobiert, dann wird’s hochgelinkt, wenn man denkt, es könnte klappen –und dann muss man auch wieder schauen …

ob’s funktioniert?

Ja. Und das soll im Zeitraum bis Anfang Mai passieren. Dann beginnt die Anflugphase auf den Kometenkern – wo auch schon die wissenschaftlichen Messungen gemacht werden.

Und bis November wird er dann um den Kometen kreisen?

Naja. Es ist eher eine Art Parallelflug, ein langsamer Vorbeiflug. Um sich gravitationsgebunden um den Kometen herum zu bewegen, müsste man sich bis auf 50 Kilometer zum Kern nähern, so weit ist man am Anfang nicht.

Weil die Gefahr zu groß würde, dass Rosetta dann doch noch mit Churyumov-Gerasimenko kollidiert?

Wir wollen deutlich näher ran! Wir können doch auch den Lander nicht einfach von da oben auf den Kometen fallen lassen. Das Absetzen passiert aus einer Distanz von gerade einmal fünf Kilometern zum Kern-Mittelpunkt – da ist man etwa 2,5 Kilometer von der Oberfläche weg. Wissenschaftlich interessant sind Distanzen von unter 30 Kilometern. Da sind wir allerdings von der Kooperationsbereitschaft des Kometen abhängig, also: was seine Aktivität betrifft.

Er sollte möglichst stillhalten?

Es ist eine zwiespältige Angelegenheit: Für die Bahn, um sich gefahrlos anzunähern, möchte man geringe Aktivitäten haben.

Aber messen möchte man …

… bei stärkerer Aktivität, genau. Für eine Kamera ist das natürlich fast egal, ob sie viel oder geringe Aktivität haben. Aber nicht für ein Massenspektrometer: Das sammelt Gas aus der Umgebung – und da ist höhere Aktivität gut.

So etwas hat ja auch noch nie jemand gemacht – etwas auf einem Kometen landen lassen?

Wie man’s nimmt. Es gab mal eine harte Landung auf einem Kometen, bei Deep Impact. Aber vielleicht ist Landung dafür das falsche Wort – ein Schuss von einer Kanonenkugel landet ja auch nicht auf dem Zielobjekt. Das war 2005, und dabei ist erstmals irdisches Material mit einem Kometenkern in Berührung gekommen. Auf Asteroiden gab es aber schon Landungen. Die haben aber keine eigene Aktivität: Bei Kometen lässt sich nicht gut vorhersagen, was die im Laufe der nächsten Stunden tun.

Aber das will man jetzt herausfinden – wie die Aktivitäten funktionieren, und was sie auslöst?

Ja. Das ist eine der Aufgaben. Wir haben einige Szenarien entwickelt, wie so eine Kometenaktivität funktionieren könnte. Und Rosetta soll die testen, also sie entweder belegen oder aber Erkenntnisse liefern, warum es nicht so ist.

Welche Szenarien gibt’s denn?

Eine Vorstellung ist, dass die Aktivität durch Sublimation von Eis läuft …

also den unmittelbaren Übergang vom festen in einen gasförmigen Zustand?

…in erster Linie von Wassereis: Das könnte der Antrieb sein. Wir wissen nämlich, dass Wassergas rauskommt, bloß den Sublimationsprozess, den haben wir mit den Fly-bys nie beobachten können, auf einem Kometen – und das soll jetzt mit Rosetta gelingen.

Und Wasser meint jetzt richtiges Wasser – da ganz weit draußen im All …?

Na klar. Das Wassermolekül ist nach Wasserstoff das zweithäufigste im Weltraum. Kosmisch gesehen ist es also eigentlich überall zu finden –und dass bei Kometen gasförmiges H2O austritt, ist seit den 1980er-Jahren bekannt, spätestens, seit die Giotto-Sonde Halley erforscht hat. Die hat das dort nachgewiesen. Seither wird das fast routinemäßig von der Erde aus gemessen – und daher wissen wir, dass das, was aus einem Kometen rauskommt, mehrheitlich aus Wasser und aus festem Material in Form von Staubkörnern oder, wenn Sie so wollen, Sand besteht. Und im Prozent- oder Promillebereich gibt es noch eine Reihe von anderen Gasen, die Organik enthalten: Wir erwarten Kohlenmonoxid- und -dioxid-Eis, wir erwarten Ethan, Acetylen, Methan, Methanol, Ammoniak …

Dabei ist ein Komet doch so ein extrem lebensfeindlicher Ort.

Das ist jetzt aber ein sehr terrestrischer Begriff – lebensfeindlich?! Natürlich: Als Mensch will man da nicht leben …

Nur, was ist der Antrieb, rauszufinden, was da drin abläuft?

Dazu lässt sich etwa so sagen: Kometen gelten als Boten aus der Frühphase unseres Planetensystems. Unsere Annahme ist: Ein Komet existiert noch als Körper fast unverändert wie zu jener Zeit, als er gemacht wurde. Dafür gibt es deutliche Hinweise, das ist also ziemlich sicher, auch wenn natürlich nicht „Made in minus 4,65 Milliarden Jahren“ dran steht.

Gemacht?

Gemacht in dem Sinne, dass die Entstehung eines Planeten als Stufenprozess abläuft: In einer Stufe spielen Körper von ein paar Kilometern bis zu ein paar 100 Kilometern eine Rolle. Die braucht man, sozusagen, um Planeten zu formen – so, wie sie selbst sich aus noch kleineren Körpern, aus Staub und aus Gas gebildet haben.

Das gilt aber doch auch genauso für die Erde, da könnte man das doch auch rekonstruieren, vielleicht nicht so gut, dafür aber ein paar Millionen preiswerter?

Das ginge, wenn die Erde kein Eigenleben hätte.

Kometen sind doch auch aktiv.

Ja, aber die Erde ist im Inneren und war nach ihrer Entstehung auch an der Oberfläche heiß. Das bedeutet, das ursprüngliche Material hat sich in der Zusammensetzung stark verändert. Kometen sind dagegen kalt drinnen, und Kälte, das kennen wir vom Kühlschrank, macht Sachen haltbar: Sie verlangsamt Prozesse. Deshalb erwarten wir, dass Kometen nur wenige Veränderungen erfahren haben, noch dazu hauptsächlich an der Oberfläche – und nicht in ihrem tieferen Kern. In ihnen kann man das Material erkunden, das eingegangen ist in die Bildung von Planeten – und gleichzeitig erkennt man auch etwas zu den Umständen, unter denen sie stattgefunden hat, unter welcher Temperatur ein Kometenkern entsteht, wie die Umgebungsbedingungen waren, bis hin zur Bestimmung des Abstands von der Sonne, in dem er gebildet wurde.

Bloß: Hätte das noch irgendetwas mit uns zu tun?

Zu den Fragen, die man sich da stellen kann, gehört sicher auch das Wasserthema – also wie Wasser auf die Erde gelangt ist. Da ist eine Möglichkeit, dass es mal importiert wurde, und dafür kommen Kometen in Betracht.

Importiert meint: auf die Erde gestürzt?

Ja, klar. Sie müssen nur den Mond anschauen – dessen Krater sind, was Einschläge betrifft, unser historisches Gedächtnis: Es gibt ja keinen Grund, warum die auf der Erde seltener hätten passieren sollen als auf dem Mond: Vor allem kurz nach Entstehung des Planetensystems, also im Laufe der ersten Milliarde Jahre, waren von der Masse kleiner Körper, die zur Bildung der Erde geführt hatten, ja noch viele übrig geblieben, in ähnlichen Orbits. Die muss also jemand beseitigt haben. Und das war letztlich der Planet Erde. Der hat die alle aus dem Weg geräumt oder aufgefressen: Im Mond dokumentiert sich nur die große Zahl der Einschläge in dieser Frühphase besser.

Das Leben ist sicherer geworden seither …

Das Leben war zu der Zeit bestimmt nicht angenehm.

Oder sogar unmöglich …?

Nein, das ja nun nicht. Das Leben ist sehr früh auf die Erde gekommen: 4,3 Milliarden Jahre vor unserer Zeit gab es hier Flüssigwasser, da lief das Bombardement noch, und es war noch nicht beendet, als vor knapp vier Milliarden Jahren das Leben hier begann.

Manche behaupten, es sei dadurch erst in Gang gesetzt und mit dem Wasser aus dem All zu uns gekommen?

Wie es kommt, dass wir Wasser auf der Erde haben, ist nicht entschieden. Das ist nur eine Hypothese. Es steht fest, dass es im Erdabstand existiert hat, aber wie es auf die Erde gelangt ist, bleibt erklärungsbedürftig. Bezüglich des Lebens schaut es ähnlich aus …

Also – es könnte aus dem All kommen?

Man wird vielleicht nicht so weit gehen und sagen: Leben wurde importiert. Aber die Bausteine des Lebens kommen aus dem All. Sie wurden importiert. Das ist klar. Organische Moleküle, die für Lebensprozesse eine Rolle spielen, wurden, sei es durch Einschläge, sei es durch langsames Runterrieseln, auf die Erde gebracht, ob im Regenwasser eingeschlossen oder über die Luft. Schließlich sammelt die Erde täglich Hunderte Tonnen von solchem Material auf. Und in dem ist Organik drin, das ist längst nachgewiesen. Das rieselt auf die Erde oder rumst rein in die Erde. Glycin beispielsweise, das ist eine der proteinbildenden DNA-Aminosäuren, hat man in Meteoriten und sogar in Kometenstaub nachgewiesen.

Nach so etwas sucht Rosetta auch?

Ja klar. Wir wissen noch sehr wenig, welche Substanzen da kommen. Und das ist auch eine Frage, die Rosetta mit beantworten soll: Wenn Sie Meteoriten sammeln, dann ist er ja höchstwahrscheinlich von einem Asteroiden, nicht von einem Kometen. Aber selbst das ist nicht klar. Sie sehen es dem Körper nicht an und dem Staub erst recht nicht: Sie finden das Material und können sagen, es kommt von draußen. Aber woher genau – das bleibt unklar. Rosetta soll den Trägerkometen ein wenig aufschlüsseln, was seine Organik betrifft, oder auch seine Aminosäuren-Haltigkeit bis hin zur Chiralität …

also, ob die Moleküle rechts- oder linksdrehend sind.

Die Händigkeit, ja.

Und nach einem Jahr, wenn die Versuche abgeschlossen sind, was passiert mit Rosetta?

Dann stellt man’s auf die Straße und wartet auf die Müllabfuhr, ist doch klar. Aber Scherz beiseite: Die wissenschaftliche Missionsdauer beginnt im kommenden Sommer. Der Lander wird im November abgesetzt, dann soll die Missionsphase weitergehen bis hoffentlich Ende 2015. Danach gibt es die Chance auf eine „extended mission“, wenn alles gut gelaufen ist und man genügend Geld auftreibt auf der Erde. Da hätte man eine natürliche Grenze von etwa sieben Monaten, weil ja der Komet dann wieder in die Distanz hineinkommt, wo für Rosetta die Hibernation-Grenze ist, also, wo ihre Sonnenkollektoren nicht genügend Power sammeln können und man die Sonde außer Betrieb nimmt. Das wird man, denke ich, auch tun. Ob man aber dann noch einmal die Chance bekommt, ihn wieder hochzufahren – damit rechne ich nicht. Das hätte wohl keinen Sinn mehr. Ich glaube: Längstens bis Sommer 2016 dauert der Betrieb. Und danach …

verschwindet’s?

Nein, danach ist es eine Sonde, die um die Sonne kreist, in einem Orbit, der nicht allzu weit weg ist von diesem Kometen.

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