Rücktrittsdrama in Dili

Osttimor: Doppelminister José Ramos Horta tritt zurück, weil Regierungschef Mari Alkatiri doch nicht zurücktritt

BERLIN taz ■ Der Rücktritt eines führenden Politikers ist in Osttimors Haupstadt Dili am Wochenende erwartet, ja von vielen regelrecht herbeiprotestiert worden. Doch war die Überraschung groß, als nicht wie vermutet Premierminister Mari Alkatiri das Handtuch warf, sondern ein frustrierter Außen- und Verteidigungsminister: José Ramos Horta. „Ich möchte nicht mit der jetzigen Regierung oder irgendeiner Regierung mit Herrn Alkatiri verbunden werden“, lautete eine vom osttimoresischen Präsidentensprecher verbreitete Begründung.

Friedensnobelpreisträger Ramos Horta zog damit die Konsequenz aus der erneuten Weigerung Alkatiris, für die aktuelle Krise die Verantwortung zu übernehmen sowie aus dessen Unterstützung durch die regierende Partei Fretilin. Deren Zentralkomitee sprach Alkatiri gestern erneut das Vertrauen aus, obwohl er außerhalb seiner Partei zunehmend unbeliebt ist.

Die Parteiversammlung musste auf den gestrigen Sonntag verschoben werden, weil am Samstag tausende Demonstranten die Anreise Delegierter ebenso verhinderten wie eine ungestörte Diskussion im Fretilin-Hauptquartier. Gestern hielten dann portugiesische Polizisten die Proteste auf Abstand.

In einer vom Parteivorsitzenden Francisco Guterres verlesenen Erklärung fordert die Fretilin Staatspräsident Xanana Gusmão zum Dialog auf. Gusmão hatte vergangene Woche Alkatiris Rücktritt gefordert und mit dem eigenen Abgang gedroht, sollte der Premier nicht demissionieren. Als Grund gab Gusmão an, er habe belastendes Material gesehen, dem zufolge Alkatiri in den Aufbau von Todesschwadronen zur Beseitigung politischer Gegner verwickelt ist.

In dieser Angelegenheit war kürzlich Exinnenminister Rogerio Lobato verhaftet worden. Alkatiri hat eine eigene Verwicklung stets bestritten und wird darin auch vom obersten Staatsanwalt gestützt. Der populäre Gusmão wiederum konnte in den letzten Tagen überzeugt werden, im Amt zu bleiben.

Osttimors schwere Krise wurde durch die Entlassung von 600 streikenden Soldaten im März ausgelöst. Sie hatten sich über Benachteiligungen beschwert. Die Proteste wurden im April gewalttätig und führten zur Spaltung der Sicherheitskräfte in Ostler und Westler. Erstere stehen der früheren Unabhängigkeitsbewegung näher, Letztere gelten als Indonesien-freundlicher. Die Desintegration von Armee und Polizei führte zur Eskalation von Bandenkriminalität und dem Hilferuf nach einer Interventionstruppe unter australischer Führung. Alkatiri gilt als Hauptverantwortlicher der Krise. SVEN HANSEN

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