„Er steht für Unabhängigkeit“

PRÄSIDENTEN-WAHL Die Initiative „Mehr Demokratie“ darf das neue Staatsoberhaupt mitbestimmen

■ ist Sprecher der Initiative „Mehr Demokratie“ und Wahlmann der Grünen in der Bundesversammlung

taz: Enthalten Sie sich heute der Stimme, Herr Weber?

Tim Weber: Nein, auf keinen Fall.

Aber als Sprecher von „Mehr Demokratie“ müssten Sie doch für eine Direktwahl des Bundespräsidenten sein.

Das sind wir interessanterweise aber nicht – weil dieses Amt mit wenig Machtbefugnissen ausgestattet ist. Das ist umstritten, aber Mehrheitsposition im Verband. Die Frage ist: Welche Alternative gibt es zur Bundesversammlung? Das Problem ist natürlich: Sie ist parteipolitisch dominiert, das wird dem Amt nicht gerecht.

Und in diesem Jahr werden noch mehr ParteisoldatInnen in die Bundesversammlung entsandt als sonst.

Das stimmt. Die Parteien wollen kein Risiko eingehen.

Haben die Grünen Sie verpflichtet, Ihren Kandidaten Joachim Gauck zu wählen?

Nein. Ich hatte mich schon für ihn entschieden, ehe ich nominiert war. Ich halte ihn für den besseren Kandidaten.

Trotz des medialen Hypes, den er gerade erfährt?

Ja. Das ist eine Überhöhung, das ist gar keine Frage. Alle drei KandidatInnen wurden von relativ wenig Menschen ausgesucht. Wenn ich in dieser Verantwortung stehe, wenn ich mir anmaße, jemand auszusuchen, der das ganze Volk repräsentiert, muss ich ein sehr gutes Händchen haben. Das ist diesmal Rot-Grün in meinen Augen gelungen. Joachim Gauck hat in seinem Leben mutige Entscheidungen getroffen und steht für Unabhängigkeit. Er hat dargelegt, dass er einen eigenen Weg gehen kann. Das was dieses Amt also auszeichnet, verkörpert er in sehr viel höherem Maße als die beiden anderen Kandidaten.

Hat er eine reelle Chance?

Der erste Wahlgang ist entscheidend. Wenn Christian Wulff dann nicht auf die nötige Mehrheit kommt, dann hat Gauck eine Chance. Die Wahl ist ja trotz allem frei und geheim.

INTERVIEW: JAN ZIER

Reichstag, Plenarsaal, ab 12 Uhr, kirchliches und fraktionelles Vorprogramm ab 9 Uhr