Gericht beendet Ciftliks Karriere

SCHEINEHE-PROZESS Der ehemalige Hamburger SPD-Sprecher wird zu einer Geldstrafe verurteilt

Ciftliks Verteidiger kündigte Rechtsmittel an und zeigte sich „schockiert“

Das Urteil kam überraschend. Noch am Montagmorgen hatte Richter Lutz Wegerich nach weiteren möglichen Sitzungsterminen Ausschau gehalten. Am Abend verkündete er die Schuldsprüche im Scheinehe-Verfahren um Bülent Ciftlik.

Der ehemalige SPD-Sprecher muss eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 80 Euro zahlen. Während der Mitangeklagte Kenan D. zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 50 Euro verurteilt wurde und nun vor seiner Abschiebung steht, kam die geständige Mitangeklagte Nicole D. mit einer Verwarnung davon. Ihre Geldstrafe von 70 Tagessätzen à 70 Euro wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Der Amtsrichter sah es als erwiesen an, dass Ciftlik Nicole D. überredet hat, den Türken Kenan D. zu heiraten, damit der eine Aufenthaltserlaubnis erhält. Wegerich stützte sein Urteil auf das „glaubwürdige“ Geständnis von Nicole D., in dem sie Ciftlik schwer belastete. Zwar sei nicht ausgeschlossen, dass Ciftlik bei der Anbahnung der Scheinehe nur einem von der Abschiebung bedrohten Bekannten habe helfen wollen, als Bürgerschaftsabgeordneter trage er jedoch eine besondere Verantwortung.

Die Zeugen, die Ciftlik entlasten wollten, hätten „maßgeschneiderte Aussagen“ gemacht, auf Nachfragen jedoch kaum antworten können. Die E-Mails, in denen Nicole D. ihr Geständnis angeblich widerrufen habe, seien gefälscht gewesen, der Urheber der Fälschungen habe jedoch nicht ermittelt werden können. „Wenn Ihnen eine Beteiligung an diesen Verdunklungshandlungen hätte nachgewiesen werden können, wäre eine Freiheitsstrafe herausgekommen“, sagte der Richter zu Ciftlik.

Dessen Verteidiger Cornelius Weimar kündigte Rechtsmittel an und zeigte sich „schockiert“, dass das Gericht am letzten Verteidigungstag kurzen Prozess gemacht habe, indem es alle sieben Beweisanträge der Verteidigung ablehnte. Die Verteidigung habe keinen einzigen Entlastungszeugen laden können.

Der SPD-Landesvorsitzende Olaf Scholz forderte Ciftlik auf, Partei und Fraktion zu verlassen. In einer Mitteilung hieß es: „Das Urteil beendet auch die politische Laufbahn von Ciftlik.“ Sollte Ciftlik dazu nicht bereit sein, will der Fraktionsvorstand seinen Rauswurf beschließen. Dem müsste nächste Woche die Fraktion auf einer Sondersitzung zustimmen. MARCO CARINI

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