berliner szenen Das ist dein Bier

Entscheidungshölle

Als ich den Raum betrete, lande ich in der Hölle: Vor einem weißen Holzverschlag stehen ein Stuhl und ein Halbliterglas. Aus zwei Zapfhähnen fließt, wenn ich will, unbegrenzt kühles Bier zum Nulltarif. Die freundliche Dame am Eingang des ehemaligen White Trash hat mich darauf hingewiesen, dass ich bleiben kann, „bis es langweilig wird und die Blase drückt“. Super, denke ich. Doch im Raum wird mir die Unmenschlichkeit des Arrangements bewusst.

Hier sitze ich und starre auf zwei Zapfhähne, während Freundin J. draußen auf einer Bank wartet, bis sie an der Reihe ist. „Ein Symbol für Entscheidungsfreiheit“ hat der Künstler seine Versuchsanordnung genannt. Ich nehme einen Schluck und lese das Konzeptpapier. Ich nehme noch einen Schluck und wühle in der Handtasche: natürlich keine Zeitung dabei. Schließlich greife ich zum Handy und rufe J. an: „Was machst du da draußen?“ Sie sieht ein Video mit Schwimmerinnen, Kühen und sprechendem Blumenkohl und amüsiert sich offenbar köstlich. „Mir ist langweilig“, jammere ich. „Das ist dein Bier“, sagt J.

Ich stürze den Rest runter und gehe nach draußen. Erleichtert lasse ich mich vor dem Video nieder, während J. hineingeht. Sie bleibt ziemlich lange, ich sehe das Video zum dritten Mal. „Solange es Bier gibt, gibt es Hoffnung.“ Als J. erscheint, ist sie gut gelaunt und ein wenig betrunken. Endlich hat sie mal ihre Belege sortiert und den Terminkalender aktualisiert. Mich und den jungen Mann, der nach ihr dran ist, hat sie glatt vergessen.

An der Straße sitzt der Künstler mit Freunden beim Bier und plaudert angeregt. Er lächelt. Ein wenig hämisch, wie ich finde. Aber vielleicht komme ich einfach nicht so gut mit Entscheidungsfreiheit klar. NINA APIN