nazis, farce etc.
: Hitler aus der Hodenmasse

Deutsche Filme über Hitler wiegen so schwer, dass sie dem Mann mit dem Bart nicht mal postum den Respekt versagen – es sei denn, Udo Kier spielt mit. Ein spanischer Film über Hitler beweist jetzt mehr Wagemut: „Ellos robaron la picha de Hitler“ („Sie haben Hitlers Schwanz gestohlen“), ein kruder Zusammenschnitt aus Faschismusgags, Filmzitaten und Fäkalhumor. Um die Regie kümmerte sich Pedro Temboury, ein junger Filmemacher aus Malaga, der bisher an Produktionen wie „Dr. Wong’s Virtual Hell“ oder „Lust for Frankenstein“ mitwirkte. Präsentiert wurde das Filmchen im Rahmen der Leistungsschau der spanischen Filmbranche, „Madrid de Cine“. Die fand kürzlich in Madrid statt und richtete sich an ausländische Einkäufer und potenzielle Koproduzenten; ein paar ausländische Journalisten wurden als Zaungäste geduldet. Auf deren Programm stand „Ellos robaron …“ zwar nicht, wurde aber zur privaten Sichtung auf dem Hotelzimmer zur Verfügung gestellt. Einen deutschen Käufer fand der Film bisher nicht.

„Ellos robaron …“ setzt ein, als türkischstämmige Bauarbeiter Hitlers Schwanz in einem Einmachglas finden. Im Berliner Museum für Zeitgenössische Kunst – eine Kreuzung aus Trutzburg und Einkaufszentrum auf der grünen Wiese – wird der Fund zwischengelagert. Drei tumbe andalusische Skinheads erhalten von einem mad scientist namens Dr. Weissmann den Auftrag, den Schwanz zu rauben; Weissmann will Hitler aus der Hodenmasse auferstehen lassen. In einer als Kunstwerk ausgegebenen Plastikkuh – einer trojanischen Kuh, witzelt der Film – lassen sich die Skinheads ins Museum schmuggeln. Kaum gelingt es ihnen, den Schwanz, einen schimmligen Fleischklops in milchiger Flüssigkeit, an sich zu bringen, sind klasse ausschauende Amazonen hinter ihnen her. Aus nächster Nähe grüßen hier Russ Meyer, Roger Coreman und Stephanie Rothman, und auch an anderer Stelle winkt die Filmgeschichte. Für den Coup im Museum hat sich Temboury bei „Mission Impossible“ und „Ocean’s Twelve“ bedient – nur dass die Skinheads auf den Laserstrahlen eher herumtrampeln, anstatt ihnen wie Tom Cruise oder Vincent Cassel kunstvoll auszuweichen.

Auf halbem Wege geht Tembourys krudem Machwerk die Puste aus. Das macht aber nichts, denn schon 45 Minuten von diesem Brachialhumor reichen, um zu erkennen: Wo die production values an das Heim- und Bastelkino eines Wenzel Storch erinnern, wo statt Sinnstiftung und historischer Tiefe Furze und Zoten herrschen, da eröffnet sich ein zwar unmöglicher, aber umso erstrebenswerterer Raum: der, in dem man Hitler überwindet, indem man ihn der Farce anheim stellt. Wer Hitler postum lächerlich macht, der nimmt eine souveränere Position ein als alle deutschen Nazifilmer der letzten Jahre. CRISTINA NORD